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Zeitsprung: Fahrrad

Das Bild links zeigt unseren Sohn Lukas auf einem Kinderrad, das er kurz vorher von seiner älteren Schwester übernommen hatte. Und auch für sie hatten wir das Rad schon gebraucht erworben. Als Lukas dem Rad dann entwachsen war, verkauften wir es weiter, und zwar an eine Frau, mit der wir damals beruflich zu tun hatten. Es sollte fortan ihrem Enkelkind gehören – damit schien die Fahrradgeschichte für uns zu Ende.
2014 knüpften wir Kontakt zu einer Familie, die seit Kurzem in einer Flüchtlingsunterkunft wohnt. Ahmed, 4, und seine Eltern kommen aus Syrien und sind erst seit ein paar Wochen hier. Über einen E-Mail-Verteiler erfuhren wir, dass zwei Kinderräder abzugeben seien. Name und Adresse verrieten uns, dass wir die Spenderin kennen. Und tatsächlich ist das eine Fahrrädchen das, das wir ihr vor fast 20 Jahren verkauften. Dank sorgfältiger Wartung hat es derweil fünf Enkelkindern treue Dienste geleistet. Das nicht mehr ganz zeitgemäße Mintgrün des Rahmens war zwischenzeitlich durch eine orangerote Lackierung ersetzt worden.
Der kleine Ahmed kann zwar noch nicht Fahrrad fahren, aber wir sind sicher, auf einem so kindererfahrenen Rad wird er es in kürzester Zeit erlernen.

Heike und Georg Schiller, Schöffengrund, Hessen

 

Klappstulle: Mein Wort-Schatz

Ich bin im Mecklenburg der Nachkriegszeit aufgewachsen. Und da wurde uns auf den dreikilometrigen Schulweg immer eine Klappstulle mitgegeben. Dieser Name hat für mich deshalb noch heute einen fast magischen Klang. Dagegen klingt das Wort »Pausenbrot« doch sehr funktionsbezogen.
Eigentlich hat man die Klappstulle nie selbst gegessen, denn auf dem Schulhof hieß es immer: »Lass mal beißen!« So wurde dann Biss gegen Biss getauscht. Das war spannend, und niemand guckte dann bärbeißig.

Karl-Heinz Becker, Jettingen, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Gerade hatte ich meine 98 Jahre alte Mutter auf einem Busausflug begleitet. Nun waren wir erneut auf der Autobahn unterwegs, und immer wenn der Tacho über 140 kletterte, schimpfte ich mit meinem Mann, nicht so schnell zu fahren. Bis meine Mutter meinte: »Ach, lass ihn doch, das ist viel schöner als mit dem lahmen Bus.« Und so genossen es die beiden verschwörerisch, mit 170 Sachen über die Autobahn zu brettern.

Ilge Wilhelm, Heidelberg

 

Was mein Leben reicher macht

Nachbarn, die einen zu Hilfe kommen, wenn man, im Bad verschanzt, mitten in der Nacht bei ihnen anruft und sie bittet, einen vor der Fledermaus zu retten, die sich durchs offene Fenster ins Schlafzimmer verirrt hat.

Lena Schröder, Lüneburg

 

Was mein Leben reicher macht

Mit dem Rennrad in der Provence. Meine Frau und ich fahren auf einer Bergstraße mit ordentlicher Steigung. Die Anstrengung scheint man uns anzumerken. Ein Mann unterbricht seine Feldarbeit und muntert uns mit einem »allez, allez« auf. Wenig später werden wir von drei älteren Damen im Kleinwagen hupend überholt. Klatschend und rufend feuern sie uns durch die geöffneten Fenster an. Tour-de-France-Atmosphäre für Hobbyradler.

Winfried Reusch, Metzingen

 

Was mein Leben reicher macht

An einem sonnigen Morgen im Sportruderboot über die Alte Donau in Wien zu gleiten, dabei die sich auf dem Wasser spiegelnde Skyline der Stadt zu sehen und nur den Ruderschlag zu hören.

Christoph Danninger, Wien

 

Was mein Leben reicher macht

Fünf Uhr morgens im Bug eines Schiffes auf der Fahrt von Manaus nach Parintins in der Mitte des Amazonas. Vor mir steigt die Sonne glutrot aus dem Fluss. Der Anblick in dieser morgendlichen Stille ist überwältigend. Verstohlen wische ich mir ein paar Tränen aus den Augen.

Wolfgang Schumann, Bayreuth

 

Rübensüßchen: Mein Wort-Schatz

»Du bist ein Rübensüßchen«, habe ich kürzlich zu meiner kleinen Enkelin gesagt, als sie charmant und keck, aber auch etwas frech und penetrant das abendliche Zubettgehen in die Länge ziehen wollte. Diesen liebevollen Ausdruck habe ich in meiner Kindheit in Ostwestfalen-Lippe häufig gehört. Gibt es ihn sonst noch irgendwo?

Renate Storch, Heidelberg