Es fing alles ganz einfach an. Was wollen wir eigentlich machen am Weltfrauentag? Lass uns die Homepage weiblich machen. Es dürfen nur Frauenköpfe und -motive auf die Bilder, und in die Überschriften dürfen nur weibliche Substantive. Die Bedenkenträger mahnten zu Recht, wie schwierig es werden könnte, gute und passende Überschriften zu texten. Auch eine Leserin schrieb als erstes auf unsere Ankündigung: „Ich bin mal gespannt, ob das auch ‚natürlich’ gelingt, also ohne gezwungen zu wirken.“
Doch sowohl die Männer wie die Frauen von ZEIT online wollten es versuchen. Ich dachte, es wäre ein Spaß, im Höchstfall ein schönes Zeichen, wie unsere Welt mal ganz feminin aussehen könnte. Ich wollte es genießen, nach ungewöhnlichen Wörtern und Bildern zu suchen. Kein feministischer Ernst stand dahinter.
Einige Kommentatoren sahen das anders, hatten verstanden, wir hätten tatsächlich vor, unsere Überschriften (und die Frauen) auf Liebe und Leidenschaft zu reduzieren, wir würden die Frauenrechte zu ernst oder nicht ernst genug nehmen. Tanja Dückers schrieb, sie würde lieber einen gut recherchierten Artikel lesen als diesen „betulichen Schnickschnack“ anschauen.
Doch am Abend fand ich es weder amüsant noch „Schnickschnack“. Ich fühlte mich gedemütigt, gescheitert, frustriert. Das Aufmacherbild unserer Seite am Tag unserer vollmundig angekündigten rein weiblichen Seite zeigte den Phallus schlechthin: Eine Atomrakete, die in einer Art Trichter steckt. Männer mit Sicherheitshelmen reparieren die Waffe.
Das war übrigens nur die Spitze des Eisberges. Immer wieder waren Männer auf der Seite. Michael Naumann lächelnd in seiner neuen Rolle als Spitzenkandidat bei der kommenden Hamburger Bürgerschaftswahl. Christian Klar starrte mich kurzzeitig von einem alten Fahndungsfoto an. Fußballerwaden, männliche Schauspieler, ein Auto in einer Kriegslandschaft. Sogar Angela Merkel konnte es erst einmal nicht allein auf die Seite schaffen. Ständig mussten irgendwelche Jungs an ihrer Seite wieder abgeschnitten werden.
Offensichtlich geht es nicht ohne Männer und ihre Symbole und Verwüstungen. Tatsächlich fanden wir keine gute Alternative zu Michael Naumanns Gesicht. Es gibt keinen weiblichen Gegenkandidaten, keine weiblichen eindeutigen Bilder für Hamburg. Doch meist rutschten die männliche Motive einfach so durch.
Ist das die Erkenntnis? Unsere Welt ist männlich und wir merken es nicht einmal. Es waren übrigens nicht hinterhältige Männer, die ihre Zeichen auf die Seite schmuggelten. Zumindest am Vormittag bestand das verantwortliche Team ausschließlich aus Frauen.
Ich wette, wenn wir zum Weltmännertag dasselbe versuchen würden – die Frauen weglassen – würde keinerlei Irritation entstehen. Angela Merkel ließe sich durch die Jungs an ihrer Seite ersetzen. Und sonst müsste man gar nicht groß suchen.
(Parvin Sadigh)