Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Eltern Coaching

 

(c) Verlagsgruppe Beltz

Er ist der bekannteste Familientherapeut Skandinaviens: Der Däne Jesper Juul, 62, ist dann zur Stelle, wenn es darum geht, unglücklichen Eltern aus der Patsche zu helfen. In seinem neuem Buch „Elterncoaching – Gelassen erziehen“ (Beltz Verlag) sind Therapiegespräche abgedruckt, die Mut machen. Die Erkenntnis: Kinder können Glücksgefühle auslösen – wenn Väter und Mütter denn aufhören würden, perfekte Eltern sein zu wollen

ZEITmagazin: Wenn man Ihr Buch liest, könnte man denken, dass es keine gute Idee ist, eine Familie zu gründen – so viel ist von unkontrollierbaren Kindern und entnervten Eltern die Rede. Warum machen Kinder dennoch glücklich?
Jesper Juul: Eltern machen die Erfahrung, dass ihre Kinder sie unbedingt lieben und ihnen grenzenloses Vertrauen schenken. Das ist ein sehr schönes Erlebnis. Dieses Gefühl kann manchmal eine ähnliche Euphorie auslösen wie Verliebtheit unter Erwachsenen. Damit es so weit kommt, müssen sich Eltern allerdings von ihrem hohen Erwartungen verabschieden. Sie müssen geduldig sein und dürfen sich nicht dem Druck aussetzen, ihr Kind ständig zu verbessern. Und sie sollten mehr Zeit dafür finden, sich einfach zurückzulehnen.

ZEITmagazin: Können Sie sich als Familientherapeut an einen Fall erinnern, der Ihnen hoffnungslos erschien und trotzdem noch ein gutes Ende gefunden hat?
Juul: Eine Mutter war mit den Nerven am Ende – so sehr, dass sie an Selbstmord dachte. Ihre drei Kinder waren kleine Tyrannen, und der Vater hatte sich aus der Verantwortung geschlichen. Ich dachte, diese Familie nicht mehr retten zu können. Dann hat der Vater aber endlich eingesehen, dass er selbst die Führungsrolle innerhalb der Familie übernehmen muss – die Mutter hatte nicht die die Kraft dafür. Er hat endlich Verantwortung übernommen. Die Mutter konnte sich erholen. So weit ich weiß, geht es der Familie mittlerweile gut.

ZEITmagazin: Was halten Sie von deutschen Familien?
Juul: Deutsche Kinder werden zu viel erzogen. Das ist ein Problem. Die Botschaft der Eltern zwischen den Zeilen lautet: Wir sind nicht zufrieden! Das ist unerträglich und schadet dem Kind. Deshalb plädiere ich für mehr Gelassenheit. Kinder sind gleichberechtigte Wesen, an denen man nicht dauernd herumdoktern muss

Die Fragen stellte Philipp Wurm

77 Kommentare


  1. ConnysPaps schrieb: Leider eine sehr pauschale Aussage, die in der Praxis nicht nachweisbar ist. Die Überforderung der Kinder durch die Eltern geschieht oft unbewusst. Wer 3-jährige ständig in Entscheidungssituationen bringt, tut ihnen ( und sich selbst ) nicht unbedingt einen Gefallen.

    Die Frage ist, in was man für eine Entscheidungssituation die 3-jährigen bringt. „Willst du die rote, die blaue, die grüne oder die gelbe Jacke anziehen?“ überfordert ein Kind in dem Alter. Stattdessen zu sagen „Du ziehst die rote Jacke an!“ ist der beste Weg um einen Zickenkrieg zu beginnen. Kinder wollen selbst machen und selbst entscheiden, aber man muss das gezielt einsetzen, d. h. nicht wenn das Kind es nicht verlangt und eben nicht ausufernd wie im obigen Beispiel.

    Wir fahren hervorragend mit der Vorgehensweise unserem Kind kleine Entscheidungen zu lassen, wenn es sich quer stellt. Dass das funktioniert, kann man übrigens gar nicht in der Praxis nachweisen. Es genügt, dass die Erfahrung vieler Pädagogen und Eltern der Sache Recht gibt.

  2.   CB

    Herzlichen Dank für Ihr Kommentar! Endlich einer, der eine ähnliche Ansicht wie Juul hat bzw. Juuls Ansichten versteht.

    Es geht um den respektvollen, achtsamen und gleichwürdigen Umgang mit den Kindern. Eltern sollten den Kinder als Leuchtürme den Weg zeigen und sie nicht wie Bonsais zurecht stutzen. Eltern haben einen aktiven Part in der „Erziehung“ und Kinder können durch ihr Vorbild lernen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn.

  3.   Pat

    Das Problem ist die Unsicherheit der Eltern… genau durch die ständigen Erziehungsratgeber und „schlauen Menschen“ im Allgemeinen (es gibt sooo viele davon).

    Ihnen fehlt es an Selbstvertrauen, da sie es ob ihrer eigenen „Erziehung“ nie aufbauen konnten (Sie konnten nicht einmal zwischen Gurke und Tomate entscheiden- es wird gegessen, was auf den Tisch kommt). Und sie lassen sich noch immer alles vorschreiben!

    Die Kinder sollten Grenzen gesetzt bekommen, aber auch Möglichkeiten geboten… wie sollen sie später Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, wie es sich `anfühlt´?

    Erziehen ist nicht nur ein Formen, sondern ein Rüsten für die Gesellschaft. Also gibt man seinen Kindern doch am meisten mit, wenn man einfach so viel Zeit mit Ihnen verbringt wie möglich. Mit allen Hochs und Tiefs.
    Alles andere ergibt sich durch Instinkt, Feingefühl und Liebe ebenso wie durch Streit, Launen und auch mal „böse Eltern sein“ ;)

  4.   juul_fan2

    *juul_fan: Vielen Dank für den aufmunternden Beitrag. Wir haben mit unseren Kindern (fast 4 und 1,5 Jahre) ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Freunde versichern uns, dass wir einfach gleich zweimal Glück hatten mit unseren Kindern. Umgekehrt wird aber ein Schuh draus: Wir hatten Glück mit uns, weil wir uns nach der Geburt des ersten Kindes sicher waren, dass wir keine erfolgreichen Kinder brauchen, um selber glücklich zu sein. Wir wollten uns die Zeit nehmen und uns zurücklehnen, um uns an unseren Kindern bereits ab dem ersten Tag zu erfreuen. Heute wissen wir, dass ein „unerzogenes Kind“ einem einfach einen Spiegel vorhält, denn man kann sich in seinen Kindern wunderbar wiederfinden. Stress auf Arbeit? Gedankliche Abwesenheit zuhause? Die Kinder quittieren das. Zu Recht.

  5.   juul_chen

    Ich kann nur jedem, der ernsthaft interessiert ist, Kindern die bestmögliche Erziehung angedeihen zu lassen und deswegen ggf. sogar den einen oder anderen Ratgeber zuhause stehen hat oder – wie hier – diverse Artikel liest, raten:

    LEST Hans-Joachim MAAZ und fangt bei euch an. Eure Kinder werden es euch danken und ganz in Ruhe aufwachsen, sich an den ihnen vorgelebten Normen orientieren und sich zu wunderbaren Menschen entwickeln, die sogar ihre Eltern mit all ihren Fehlern lieben (können).


  6. „Deutsche Kinder werden zu viel erzogen.“

    Das ist doch nun ein ausgemachter Unfug. „Kinder“ werden allgemein viel zu wenig erzogen. Die meisten Kinder sind immer mehr alleine und sich selbst überlassen, was in vielen Fällen in eine starke Aggressionsausbildung bei Kindern und Jugendlichen geführt hat.

    Allerdings scheint es hier eine Diskrepanz zu dem Begriff „erziehen“ zu geben.

    Das ist das was wohl 100 000ende von Elternratgeber jeglichster Art leisten und damit – und die darin enthaltenen völlig konträren Aussagen, – Eltern nur verunsichern. Als erstes sollten Eltern alle Elternratgeber auf den Müll werfen.

    Erziehen heißt nicht nach preußischer Art Ordnung drillen.
    Erziehen heißt den Kindern Lebensanleitung geben, bei Problemen helfen, immer für die Kinder da zu sein, wenn sie die Eltern brauchen und den Kindern ein Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens zu geben.

    In dieser Version von Erziehen, fehlt es in Deutschland vorne und hinten,.


  7. Ich mag Juul nicht. Auf der einer Seite sagt er immer, Eltern müssen sich entspannen, es gibt kein richtig oder falsch. Und dann gibt er direkt danach eine Liste von Elternverhaltungen, die „unbedingt falsch“ sind. Nach seiner eigenen Theorien und Behauptungen, können sie nur „falsch für ihn“ sein.

 

Kommentare sind geschlossen.