„Immer mehr führende Köpfe warnen nun vor sozialen Unruhen“, schreibt Spiegel Online heute unter der Überschrift „Wirtschaftseinbruch schürt Angst vor sozialen Konflikten“. Thesen zum Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage (und insbesondere Wirtschaftskrisen) und sozialen Unruhen (bis hin zur Stabilität des politischen Systems) sind ein Evergreen. Die hohe Arbeitslosigkeit etwa ist eine Standarderklärung für den Niedergang der Weimarer Republik. Das empirische Eis, auf dem solche Behauptungen stehen, ist allerdings vergleichsweise dünn. In seiner epochalen Studie zu den Arbeitslosen von Marienthal konnte Paul F. Lazarsfeld eher feststellen, dass die Menschen im österreichischen Marienthal – einem von der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre besonders hart getroffenen Ort – im Zuge der Krise eher „müde“ geworden waren. Betrachtet man heute die Absicht etwa von Arbeitslosen, sich an bevorstehenden Wahlen zu beteiligen oder auch in anderer Form politisch aktiv zu werden, bestätigt sich dieses Bild. Arbeitslose gehen im Vergleich zu Erwerbstätigen seltener zur Wahl, sie interessieren sich auch eher weniger für Politik. Das Bestreiten des (schwierigen) Alltags steht für sie eher im Vordergrund als distante Phänomene wie Politik und Wahlen. Das macht soziale Unruhen (zumindest ausgehend von direkt Betroffenen) weniger wahrscheinlich, die Situation allerdings keinen Deut besser.
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