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Battleground-Wahlkreise? Zur aktuellen Diskussion um Überhangmandate

 

Die These einer Amerikanisierung von deutschen Wahlkämpfen hat mittlerweile einen langen Bart. Im Zuge der aktuellen Diskussion um mögliche Überhangmandate könnte allerdings ein neues, bislang wenig diskutiertes Element hinzukommen: Battleground-Wahlkreise.

„Battleground states“ sind in den USA jene Bundesstaaten, in denen es sowohl für Demokraten als auch Republikaner möglich erscheint, die (relative) Mehrheit zu erreichen. Und wer die relative Mehrheit gewinnt, der gewinnt – bei Präsidentschaftswahlen – alle Wahlmännerstimmen dieses Bundesstaates: „the winner takes it all“. Diese Bundesstaaten liefern also eine potenziell große Prämie für eine Partei, weshalb dort die Wahlkampfschlacht besonders heftig tobt – battleground state eben.

Was das mit Überhangmandaten zu tun hat? Die Gewinner der 299 Wahlkreise bei der Bundestagswahl werden ebenfalls per relativer Mehrheitswahl gefunden: Wer die meisten Stimmen in einem Wahlkreis bekommt, zieht als direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter in den Bundestag ein. Im bundesdeutschen Wahlsystem ist dies – eigentlich – eine Nebensächlichkeit (siehe hierzu auch den Beitrag von Thomas Gschwend). Über die Machtverteilung im Bundestag wird anders entschieden. Nämlich über die Verteilung der Zweitstimmen. Wenn die Union 35 Prozent der Zweitstimmen erhält, erhält sie auch ungefähr 35 Prozent der Sitze im Deutschen Bundestag (bzw. etwas mehr, weil ja Parteien, die an der 5%-Hürde scheitern, bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt werden).

Bei 598 Sitzen im Bundestag und einem angenommenen Stimmenanteil von 35 Prozent sind dies also rund 210 Sitze. Diese werden in einem zweiten Schritt auf die Bundesländer (und die dortigen Listen der Union) verteilt. In Baden-Württemberg etwa leben rund 12 Prozent der deutschen Wahlberechtigten, also wird die Union dort in etwa 25 Sitze (12 Prozent von 210) gewinnen. Sagen wir, die Union erhält dort 30 Sitze, weil die CDU ja dort immer gut abschneidet. Baden-Württemberg hat aber zugleich bei der Bundestagswahl im Herbst 38 Wahlkreise. Und hier kommt die zu ergatternde Prämie aus Sicht der Parteien ins Spiel: Wenn die Union alle 38 Wahlkreise in Baden-Württemberg gewinnt, wird sie auch mit 38 Abgeordneten aus Baden-Württemberg in den Bundestag einziehen – die Differenz zwischen den 38 Direktmandaten und den 25 bis 30 ihr „zustehenden“ Sitzen ist die Extra-Prämie, die zu holen ist, das sind die Überhangmandate. Und bei knappem Wahlausgang kann das in der Tat den machtpolitischen Ausgang der Wahl bestimmen.

Dass Ähnliches eintritt, ist sehr wahrscheinlich – darauf hat Joachim Behnke mit seinen Analysen eindrucksvoll hingewiesen. Allerdings darf man eines nicht vergessen: Die anderen Parteien – allen voran die SPD -, mit denen die Union im Kampf um Direktmandate konkurriert, können (und werden) auf diese Szenarien reagieren. Die SPD sollte (und wird) alles daran ansetzen, um etwa in Baden-Württemberg (und anderen Ländern mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für Überhangmandate) in ihren (relativen) Hochburgen die Mehrheit zu gewinnen (Mannheim wäre ein solches Beispiel). Denn jedes einzelne Direktmandat, das die Union nicht gewinnt, bedeutet ein Überhangmandat weniger (und lässt die Prämie der Überhangmandate wieder abschmelzen). Die SPD sollte also gezielt in diesen Wahlkreisen besonders aktiv sein. Das möchte aber die Union überhaupt nicht, also wird auch sie in diesen Wahlkreisen ihre Aktivitäten intensivieren. Und so entsteht ein Battleground-Wahlkreis.