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Steini, der Sexgott, und Westerwelle, der Kanzler

 

Von Tina Groll

Manche nennen es Wahlkampf für die Twitter-Generation, das ist dann elitär gemeint. Andere finden es total „obamaesk“, was wohl Spitze heißt: Lustige Politspots, Wahlkampfsongs oder Animationen im Netz. Geeignet, um sich den Sonntagnachmittag bis zur ersten Hochrechnung zu vertreiben, sind die kurzweiligen Clips jedenfalls.

Wer hätte gedacht, dass Steinmeier junge Frauen schlaflose Nächte bereitet? Das zumindest behauptet das dralle Steini-Girl – eine angeblich 22-jährige Jura-Studentin, die in ihrem Liebeslied den SPD-Kandidaten anschmachtet und ihm zu ihrem liebsten „Toy-Boy“ erklärt. Endlich mal etwas Erotik für den sonst so drögen Wahlkampf. Hinter dem sexy Clip stecken jedoch nicht die Sozialdemokraten, sondern das Videoportal Sevenload. Für die Sängerin, die sich mit knappen Höschen an einem Steinmeier-Pappaufsteller räkelt, hat sich das Video schon vor der Wahl gelohnt. Sie ist im Netz zu einiger Bekanntheit gekommen, und auch von einem Plattenvertrag soll bereits die Rede sein. Die SPD dagegen ist über das laszive Video not amused und befürchtet, dass das Video ältere Wähler vergraulen könnte.

Vielleicht täte etwas Gelassenheit gut? Immerhin ist die Idee aus den USA geklaut. Dort unterstützte die Sängerin Amber Lee Ettinger mit Videos in ähnlicher Aufmachung Barack Obama bei der Präsidentschaftswahl. Der Clip soll Obama geholfen haben. Anders als das Liebeslied vom Steini-Girl war ihr Song „Crush on Obama“ jedoch kein Werbefake.

Kein Fake, dafür aber ein gelungener Loriot-Remake ist dagegen der Clip „Szenen einer Ehe“ von den Grünen. Zu sehen sind Guido Westerwelle und Angela Merkel als Loriot-Figuren – jedoch im Rollentausch. Während Guido die Hausfrau in der Küche mimt und Angela zum Regieren animieren möchte, sitzt die Kanzlerin relaxt im Sessel. „Ich möchte einfach nur hier sitzen.“

Sich selbst aufs Korn nehmen dagegen die Jungen Liberalen in ihrem Clip „Die reine Wahrheit“. Der Spot zeigt eine Reihe stolzer Nachwuchsliberaler: „Wir fordern marktgläubig als religiöse Ansicht bei Facebook einzuführen“, sagen sie. Oder: „Wir bügeln unsere Jeans – und unsere Hemden, die wir immer in die Hose stecken sowieso.“ Leider fällt das Video zum Ende durch ernsthafte Forderungen etwas ab.

Was passieren kann, wenn man sein Kreuzchen für die FDP macht, zeigt ein personalisierbarer Spot der IG Metall. Mit nur einer einzigen Stimme zieht Guido Westerwelle ins Bundeskanzleramt ein – behauptet jedenfalls der freundliche Nachrichtensprecher in dem fiktiven Programm Nachrichten-TV24.de. Demnach war ein einziger Nichtwähler für den Sieg Westerwelles entscheidend – auf den sich die geballte Wut der Nation in den Tagen nach der Wahl richtet.

Der Spot ist zwar lustig, inhaltlich jedoch etwas widersprüchlich. Zum einen wird behauptet, alle Bürger seien wählen gegangen, zum anderen wird dem Nicht-Wähler vorgehalten, er habe durch seine Passivität über den Ausgang des Urnengangs entschieden. Aber immerhin: Das Video kann mit den Namen von Freunden versehen und weitergeleitet werden – auf die Mobilisierung kommt es der IG Metall wohl vor allem an.

Mobilisiert hat auch der Song „Wähl auch Du, CDU im Jahr 1972. Hach, herrlich. Damals war der schmissige Gassenhauer das offizielle Wahlkampflied. Nicht nur die eingängige Melodie zeichnet das Lied als Ohrwurm aus – auch in seiner sprachlichen Klarheit überzeugt das Lied: „Wähl auch Du, CDU. Ich weiß längst schon, was ich tu. Was denn sonst? CDU!“

Und wenn das sehr viele Wähler tun werden, gibt es am Sonntag noch einen Song zum Mitgrölen: Lady Kanzler mit dem Hit „Pokerface.