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Schwarz-gelb in Berlin und Kiel, aber was kommt in Erfurt, Potsdam und Saarbrücken?

 

Während die Koalitionsbildung auf Bundesebene und in Schleswig-Holstein sich aufgrund des in Berlin klaren, in Kiel jedoch knappen Wahlerfolgs von Union und FDP wohl relativ einfach gestalten wird (wenn auch einige inhaltliche Konfliktfelder die Verhandlungen erschweren werden), so ist nach wie vor die Regierungsbildung in Thüringen, dem Saarland und in Brandenburg, wo am vergangenen Sonntag ein neuer Landtag gewählt wurde, eine offene Frage. Die Parteien in Thüringen und dem Saarland haben explizit den Wahlausgang vom 27. September abgewartet, um zum einen durch ihre Entscheidungen nicht die Wahlkampfstrategie der Bundesparteien zu durchkreuzen. Zum anderen aber auch, um die künftigen Machtkonstellationen auf Bundesebene abzuwarten. Diese haben sich mit dem Sieg von schwarz-gelb bei den Bundestagswahlen und bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein deutlich verschoben: So wird sich nicht nur die Zusammensetzung der Bundesregierung von schwarz-rot zu einer christlich-liberalen Koalition ändern, sondern Union und FDP werden durch den Sieg in Kiel auch im Bundesrat über eine – wenn auch knappe – Mehrheit verfügen.

Welche Effekte haben diese neuen Rahmenbedingungen für die Regierungsbildung in Thüringen und dem Saarland, wo bislang nur Sondierungsgespräche zwischen den Parteien stattgefunden haben, und in Brandenburg, wo die SPD zwischen Union und der Linken als dem künftigem Koalitionspartner wählen kann? Man kann erwarten, dass auf Seiten der Sozialdemokraten ein Anreiz besteht, sich zum einen neue Koalitionsoptionen mit der Linken langfristig zu eröffnen und daher Bündnisse mit dieser Partei in den Ländern verstärkt einzugehen. Zum andern würde die Bildung von Koalitionen mit der CDU die Chancen zur Etablierung einer SPD-Blockademacht im Bundesrat mittelfristig senken: die Bildung von so genannten „C-Koalitionen“ und damit solchen Landesregierungen, die sich aus Parteien zusammensetzt, die auf Bundesebene dem Regierungs- als auch dem Oppositionslager angehören, sollte von Seiten der SPD weniger wünschenswert sein als „B-Koalitionen“, die sich ausschließlich aus den bundespolitischen Oppositionsparteien formieren.

Auf der Grundlage aller Regierungsbildungen in Bund und Ländern lassen sich mit Hilfe multivariater statistischer Analysen die Determinanten der Koalitionsbildung in Deutschland ermitteln und auf dieser Basis auch die Wahrscheinlichkeiten für alle potentiell möglichen Koalitionen berechnen. Für Brandenburg, das Saarland und Thüringen ergibt sich – gegeben eine Regierungsübernahme durch Union und FDP in Berlin und Kiel – in Tabelle 1 angetragenes Bild.

Tabelle 1: Wahrscheinlichkeiten ausgewählter Koalitionen bei CDU/CSU-FDP-Bundestagsmehrheit

  Brandenburg Saarland Thüringen
CDU und SPD 49,4% 32,1% 50,0%
SPD und Linke 47,4% 0,1% 38,6%
SPD-Minderheits-
regierung
0,7% 0,1% 0,2%
CDU-Minderheits-
regierung
0,1% 4,4% 6,4%
SPD, Grüne und Linke 0,2% 13,7% 0,2%
CDU, FDP und Grüne 0,1% 36,7% 0,6%
CDU/FDP-Minderheits-
regierung
0,0% 11,1% 0,8%

 

Es zeigt sich, dass die Regierungsbildung in den drei Bundesländern alles andere als ausgemacht ist. In Brandenburg ist die Wahrscheinlichkeit, dass die amtierende Koalition aus SPD und CDU im Amt bleibt, nur geringfügig größer als die Bildung eines Bündnisses zwischen SPD und der Linken. Dies überrascht insofern nicht, als dass unter einem schwarz-roten Bündnis Brandenburg ein „C-Land“ würde, während es im Bundesrat zu den „B-Ländern“ zählen würde, wenn sich dort eine rot-rote Koalition bilden würde. In Thüringen ist hingegen die Bildung einer CDU/SPD-Koalition deutlich wahrscheinlicher als alle anderen Varianten. Die angestrebte rot-rot-grüne Koalition ist aus Sicht der Koalitionstheorien auch deswegen so extrem unwahrscheinlich, weil es sich um eine übergroße Koalition handeln würde: die Grünen werden zur Erringung einer Mehrheit im Landtag nicht benötigt. Ein Bündnis zwischen Linken und SPD rangiert mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 39% recht deutlich hinter der Koalitionsoption aus CDU und Sozialdemokraten.

Das Saarland stellt den unübersichtlichsten Fall dar. Aufgrund der Schätzungen ergibt sich eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen als wahrscheinlichste Variante (36,7%). Die Chancen zur Bildung einer – bislang nicht in Saarbrücken diskutierten – großen Koalition aus Union und SPD sind jedoch nur leicht niedriger (32,1%). Deutlich geringer fällt hingegen die ermittelte Wahrscheinlichkeit für die Bildung der ersten rot-rot-grünen Koalition in einem westdeutschen Bundesland aus: sie liegt bei knapp 14%. Man darf also nach wie vor gespannt sein, für welche farblichen Konstellationen sich die Parteien in den drei Ländern entscheiden.