Die Verständlichkeit der politischen Medienberichterstattung ist eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren und die Legitimität moderner Demokratien. Dieser Zusammenhang wurde von Toni Amstad im Rahmen seiner Verständlichkeitsanalyse von Schweizer Tageszeitungen bereits Ende der 1970er Jahre treffend auf den Punkt gebracht: „Was nützt Entscheidungsfreiheit, wenn über Dinge entschieden werden soll, über die ein erheblicher Teil der Bürger nicht in verständlicher Weise – und damit nur schlecht oder überhaupt nicht – informiert ist?“
Das Problem stellt sich dabei als umso relevanter dar, je wichtiger die betreffende Berichterstattung für die Wahlentscheidung der Bürger ist. Eine Studie der Universität Hohenheim hat deshalb nun die Verständlichkeit der Berichterstattung von drei wichtigen Meinungsführermedien (BILD, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung) in den vier Wochen vor der letzten Bundestagswahl analysiert. Hierbei wurden nicht nur die Print-, sondern auch die jeweiligen Online-Ausgaben der drei Medien untersucht.
Betrachtet man die Ergebnisse der Hohenheimer Studie, so lässt sich zunächst feststellen, dass die BILD-Zeitung erwartungsgemäß verständlicher abschneidet als die beiden anderen Medien. So erreichen die BILD-Artikel auf einer Skala von 0 (kaum verständlich) bis 100 (sehr verständlich) im Durchschnitt einen Wert von 61 Punkten, die übrigen Artikel hingegen einen Wert von 54 (Spiegel) bzw. 53 (Süddeutsche). Auch die hiermit verbundenen Bildungsvoraussetzungen wurden von den Hohenheimer Forschern prognostiziert: Demnach dürfte etwa ein Viertel der Artikel aus Spiegel und Süddeutscher Zeitung für Hauptschul-Absolventen eine Überforderung darstellen, bei der BILD-Zeitung hingegen nur fünf Prozent der Artikel.
Ähnliche Befunde ergeben sich für die Online-Portale der drei Medien. Auch hier schneidet die bild.de (57 Punkte) verständlicher ab als spiegel.de (51) und sueddeutsche.de (53). Entgegen den ursprünglichen Erwartungen der Forscher fiel die Verständlichkeit von zwei der drei Online-Portale damit jedoch geringer aus als die ihrer jeweiligen Print-Varianten. So lag selbst bei bild.de der Anteil an Artikeln, für deren Verständnis die Hohenheimer Forscher eine Mittlere Reife als Mindestvoraussetzung ansehen, bei 12 Prozent, bei spiegel.de sogar bei einem Drittel.
Einen wichtigen Grund für die teilweise geringe Verständlichkeit der untersuchten Artikel sehen die Forscher in unnötig komplexen Satzstrukturen. So lag die mittlere Satzlänge bei Spiegel und Süddeutscher Zeitung bei etwa 15 Wörtern pro Satz. Die Empfehlung der dpa für eine optimale Verständlichkeit liegt jedoch bei nur neun Wörtern pro Satz. Es lässt sich zudem nachweisen, dass Leser in einer Verarbeitungseinheit maximal neun Wörter aufnehmen können. Sätze, die diese Länge überschreiten, müssen demnach zwischengespeichert werden und führen so zu einer höheren kognitiven Belastung, insbesondere bei komplexen Themen wie Politik.
„All the news that’s fit to print”? Überträgt man das Leitmotiv der New York Times auf die hier betrachteten deutschen Medien, so lässt sich festhalten: Für einen nicht unbedeutenden Teil der deutschen Wahlbevölkerung dürfte die Berichterstatttung zur Bundestagswahl teilweise überwindbare Verständlichkeitshürden enthalten haben. Dass sich dieser Befund nicht nur auf Spiegel und Süddeutsche Zeitung beschränkt, sondern in abgeschwächter Form auch für die BILD-Zeitung gilt, sollte deren Machern zu denken geben.
Weiterführende Links
PolitMonitor: http://www.polit-monitor.de
Homepage des Hohenheimer Fachgebiets: http://komm.uni-hohenheim.de