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Die Koalitionsbildung in Berlin nach der Wahl 2011: Vorteil für Rot-Grün

 

Erst vor wenigen Tagen hat die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, Renate Künast, die Bildung einer Koalition mit der CDU öffentlich ausgeschlossen. Auch wenn dieses Statement kein offizieller Beschluss ihrer Partei ist, so wirft diese Aussage die Frage auf, welche Parteienkombination das wahrscheinliche Ergebnis des Regierungsbildungsprozesses in Berlin nach den Wahlen am kommenden Sonntag sein wird. Diese Frage gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass jüngste Umfragen der amtieren Koalitionsregierung aus SPD und der Linken keine Mehrheit mehr versprechen. Ein zusätzlicher Überraschungseffekt kann sich zudem daraus ergeben, dass die Piratenpartei den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schafft, wohingegen die FDP wohl nicht wieder in das Abgeordnetenhaus zurückkehren wird.

So ergibt sich aus der Vorwahlumfrage der Forschungsgruppe Wahlen ein Fünfparteienparlament, in dem die SPD 47, die CDU 31, die Grünen 28, die Linke 16 und die Piraten 8 Sitze erringen würde. Auf der Grundlage dieser Sitzverteilung, der programmatischen Positionen der Parteien, die sich aus ihren Wahlprogrammen ergeben, der bundespolitischen Kontextfaktoren und der Koalitionsaussagen der Parteien lassen sich die Wahrscheinlichkeiten für die theoretisch möglichen Parteienkombinationen im künftigen Berliner Landesparlament bestimmen. Dies geschieht auf der Grundlage eines Datensatzes, der alle Regierungsbildungsprozesse in den deutschen Bundesländern seit 1990 umfasst (siehe Bräuninger und Debus 2011).

In der unten stehenden Abbildung sind die Wahrscheinlichkeiten für ausgewählte der 31 theoretisch möglichen Koalitionsregierungen in einem aus fünf Parteien zusammengesetzten Landtag aufgeführt. Es wird deutlich, dass eine mögliche Koalition aus SPD und Grünen das Bild deutlich dominiert, selbst wenn die Aussage von Renate Künast hinsichtlich eines potenziellen schwarz-grünen Bündnisses nicht berücksichtigt wird. Die Chance, dass sich eine rot-grüne Koalition bildet, liegt bei 44 bzw. 46 Prozent. Die beiden anderen dominierenden Kombinationen sind neben einer Koalition aus Sozial- und Christdemokraten mit 23 bzw. 24 Prozent ein Bündnis aus SPD, der Linken und der Piratenpartei mit ca. 26 Prozent. Die überraschend hohe Wahrscheinlichkeit für ein solches Dreierbündnis ergibt sich dadurch, dass die programmatische Distanz zwischen den drei Parteien vergleichsweise gering ist und eine solche Option nicht von vornherein ausgeschlossen wurde.

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeiten ausgewählter Parteienkombinationen, den nächsten Berliner Senat zu stellen

Für die Bildung einer rot-grünen Koalition spricht neben den errechneten Wahrscheinlichkeiten zudem, dass diese Variante – im Gegensatz zu einer großen Koalition oder einer Fortsetzung der Zusammenarbeit von SPD und der Linken –  den Ergebnissen des ZDF-Politbarometers zufolge auch von einer Mehrheit der Berliner gewünscht wird. Sollten neben SPD, CDU, Grünen und Linken auch die Piraten in das Landesparlament in der vermuteten, oben angegebenen Stärke einziehen, dann stehen die Chancen für eine rot-grüne Neuauflage in Berlin sehr gut.

Literatur:
Bräuninger, Thomas und Marc Debus (2011): Parteienwettbewerb in den deutschen Bundesländern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.