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Piraten und Nichtwähler

 

Die Wahlbeteiligung im Saarland war mit 61,6 % nicht hoch – dies war aber auch nicht anders zu erwarten. Polarisierung mobilisiert, die Menschen wählen lieber Schwarz oder Weiß statt Hellgrau oder Mittelgrau. Und die Auseinandersetzung zwischen „AKK“ und Heiko Maas war genau das Gegenteil eines polarisierten Wahlkampfes. Die beiden großen Parteien hatten im Vorfeld schon angekündigt, ihre große Koalition fortsetzen zu wollen; inhaltliche Alternativen hatten die Wähler kaum.

Diese Alternativlosigkeit wird von Nichtwählern am häufigsten als Grund für ihre Wahlabstinenz genannt – und so lässt sich auch der vorläufige Erfolg der Piraten erklären. Der Blick in das Wahlprogramm der Piraten lässt kein klares inhaltliches Profil erkennen. Aber: Sie grenzen sich zwar nicht inhaltlich ab, jedoch schlagen sie neue Prozesse vor. Sie setzen auf „liquid democracy“, mehr Bürgerbeteiligung und offene Gestaltungsmöglichkeiten in der Politik. Daraus beziehen sie den Reiz des Neuen, des Anderen, der dazu führt, dass enttäuschte, mit den etablierten Parteien unzufriedene Menschen in der Piratenpartei eine Alternative sehen. Natürlich haben die Piraten auch bei den anderen Parteien Wähler abwerben können. Aber den größten Anteil am überraschend guten Wahlergebnis der Piraten machen nicht diejenigen aus, die zuvor FDP oder Grüne gewählt haben, sondern eben jene, die zuvor nicht zur Wahl gegangen sind.

Wie nachhaltig die Piraten damit aufgestellt sind, wird sich spätestens im Mai bei der vorgezogenen Landtagswahl in NRW zeigen. Hier werden wir einen polarisierten Wahlkampf erleben, in dem der Wähler klare inhaltliche Alternativen zwischen SPD und Grünen auf der einen und der CDU und FDP auf der anderen Seite hat. Dazu kämpft die FDP ums blanke Überleben und bietet dafür einen profilierten Spitzenkandidaten auf – ebenso wie die CDU. Sprich: Es wird wieder um Themen gehen und auch die zur Wahl stehenden Persönlichkeiten bieten Alternativen.

Wie wird es in einer solchen Konstellation mit Piraten und Nichtwählern aussehen? Die Wahl in NRW wird nicht zuletzt in dieser Frage einigen Aufschluss geben, auch über die Chancen der Piraten bei der Bundestagswahl 2013. Meine Prognose: Es ist eine günstige Fügung für die Piraten, dass sie nach dem Erfolg im Saarland große mediale Aufmerksamkeit erfahren, ohne jedoch inhaltlich Stellung beziehen zu müssen. Diese Welle könnte sie in den Mai mit Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW tragen. Allerdings werden in diesen Bundesländern weniger Wähler z.B. von der FDP zu den Piraten wandern, weswegen man sich noch stärker darauf konzentrieren muss, Nichtwähler zu mobilisieren. Einen ganz so hohen Wert wie im Saarland werden die Piraten in NRW und Schleswig-Holstein daher nicht erreichen. Aber wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringen könnten, wäre dies ein umso wichtigeres Signal – auch nach Berlin.

Weiterführende Literatur zu den Nichtwählern:

Jan Eric Blumenstil/Hans Rattinger: Warum haben Sie das getan? Subjektive Gründe der Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl 2009, in PVS Sonderheft 45/2011, S. 257-283

Armin Schäfer (2011): Der Nichtwähler als Durchschnittsbürger: Ist die sinkende Wahlbeteiligung eine Gefahr für die Demokratie? In: Evelyn Bytzek/Sigrid Roßteutscher (Hrsg.): Der Unbekannte Wähler? Mythen und Fakten über das Wahlverhalten der Deutschen: Frankfurt: Campus, S. 133-156.