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Was machen Piraten eigentlich im Parlament?

 

Von Jochen Müller und Christian Stecker

Nach Berlin, dem Saarland und Schleswig-Holstein ziehen die Piraten nun in den Düsseldorfer Landtag ein. Angesichts dieser Erfolge stellt sich die Frage, was Piraten eigentlich im Parlament machen. Bringen Sie frischen Wind und neue Themen oder führt die, von ihren Kritikern monierte, fehlende programmatische Breite zu einer geringen parlamentarischen Aktivität? Anders gefragt: Können Piraten nur twittern oder können sie auch parlamentarische Opposition?

Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die bisherigen Aktivitäten der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, in dem sie seit dem 27. Oktober 2011 vertreten sind. Schauen wir uns zunächst nackte Zahlen an. Die Abbildung zeigt, wie häufig die Fraktionen seit Beginn der Legislaturperiode verschiedene parlamentarische Instrumente genutzt haben. Dabei handelt es sich zum einen um die verschiedenen Formen von Anfragen als klassisches Kontrollrecht gegenüber dem Berliner Senat und zum anderen um Anträge, in denen das Parlament oder der Senat zu einer bestimmten Handlung, z. B. einem Gesetz, aufgefordert werden.

Parlamentarische Aktivitäten im Berliner Abgeordnetenhaus: Prozentualer Anteil nach Fraktionen

Hinweis: orange = Die Piraten, grün = Bündnis 90/Die Grünen, lila = Die Linke, schwarz = CDU, rot = SPD; die Zahl in Klammern gibt jeweils die Gesamtzahl der jeweiligen Kategorie an

Es zeigt sich, dass die Piraten vergleichsweise zurückhaltend auftreten. Insbesondere bei den kleinen Anfragen und Anträgen fallen sie deutlich hinter die beiden anderen Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke zurück. (Die ähnlich geringe Aktivität von CDU und SPD erklärt sich in ihrem Status als Regierungsfraktion.)

Betrachtet man die Inhalte der einzelnen Initiativen, zeigt sich zudem, dass die Piraten zu vielen Themen keine Positionen in die parlamentarische Debatte einbringen, sondern sich stark auf ihre Kernthemen Netzpolitik und Transparenz konzentrieren. So setzen sich von den elf Anträgen, für die die Piraten alleine verantwortlich zeichnen, fünf für einen besseren Datenschutz ein – insbesondere gegenüber staatlichen Ermittlungsbehörden (z. B. die Ablehnung des sogenannten Staatstrojaners). Weitere drei Anträge fordern die Offenlegung von Verträgen zwischen Landesregierung und Privatunternehmen. Ein Antrag verlangt, dass Wowereit und seine Kabinettkollegen künftig öffentlich tagen und beschließen. Demgegenüber decken die kleinen Anfragen etwas mehr Themen ab. Bei fünf von 19 kleinen Anfragen geht es zwar ebenso um Aspekte des Datenschutzes, es finden sich aber auch Anfragen zur Sozial- (Unterkunftskosten von Leistungsbeziehern), Bildungs- (Reform der Lehrerbildung) und Innenpolitik (Schutzpolizei-Laufbahnverordnung). Insgesamt bringen Piraten tatsächlich neue Themen ins Parlament. Für Bürger, denen neben Netzpolitik und Transparenz noch andere Themenfelder wichtig sind, dürfte dies allerdings noch etwas wenig sein.

Außer den Inhalten muss eine Betrachtung der parlamentarischen Aktivitäten der Piraten auch deren Form berücksichtigen. Neben der zuletzt diskutierten Verwendung von Fäkalsprache im Parlament und der Entfachung damit artverwandter Stürme heben sich die Piraten auch in der Sprache ihrer parlamentarischen Initiativen von den etablierten Parteien ab: Mitten im kalten Berliner Winter bewiesen sie ein Herz für das Wachpersonal des Abgeordnetenhauses und forderten die Aufstellung eines Wachhäuschens vor dem Eingang des Parlaments. In der Begründung von glattgeschliffenen Politikerdeutsch keine Spur: „Es ist saukalt und entgegen der Bekundungen seitens des jetzigen Parlamentspräsidenten ist noch nichts passiert.“

Christian Stecker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft der Universität Potsdam.

Jochen Müller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Oldenburg.