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Signifikante Verschiebungen? Die programmatischen Positionen der Bundestagsparteien zu den Wahlen 2009 und 2013 im Vergleich

 

Nachdem nun alle im Bundestag vertretenen Parteien ihre Wahlprogramme zur Bundestagswahl am 22. September 2013 veröffentlicht haben, bietet es sich an, einen Vergleich zwischen den in den aktuellen Wahlprogrammen eingenommenen programmatischen Positionen der Parteien mit denjenigen zur Bundestagswahl 2009 vorzunehmen. So kann der Frage nachgegangen werden, ob sich die inhaltlichen Ausrichtungen der Parteien entscheidend verschoben haben oder nicht und was dies für Konsequenzen für die Regierungsbildung im Herbst haben könnte.

Hierzu nehmen wir eine computergestützte Inhaltsanalyse der Wahlprogramme von Union, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken zu den Bundestagswahlen 2009 und 2013 auf Basis des „wordscores“-Verfahrens vor. Dieses Verfahren basiert auf der relativen Worthäufigkeit in den jeweiligen Dokumenten. Grundlegende Idee dieser Methodik ist es, dass die Sprache und damit die Wortwahl in programmatischen Dokumenten von Parteien nicht zufällig erfolgt, sondern vielmehr dazu dient, den Wählern und den Mitbewerbern schnell erkennbare Zeichen der eigenen programmatischen Verortung zuzusenden. Die mit Hilfe dieses Verfahrens ermittelten Positionen der Wahlprogramme aus dem Jahr 2009 auf einer wirtschaftspolitischen Links-Rechts-Dimension sowie einer Konfliktlinie, die zwischen progressiven und konservativen Positionen in Fragen der Gesellschaftspolitik unterscheidet, dienen hierbei als Ankerpunkte zur Ermittlung der programmatischen Positionen in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2013.

Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse. Demnach gibt es durchaus Verschiebungen in den Positionen der Bundestagsparteien zwischen 2009 und 2013. Den markantesten programmatischen Wandel haben die Freien Demokraten durchgemacht. Waren sie in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen 2009 (und auch zu früheren Bundestagswahlen) explizit wirtschaftsliberal ausgerichtet, so hat die FDP zur Wahl 2013 ihre Haltung in diesem Politikfeld deutlich abgemildert und nimmt nun eine ähnliche Position wie die Union ein. CDU und CSU haben hingegen vor allem ihre Position in der Gesellschaftspolitik verschoben und sind auf dieser Politikdimension weiter in die Mitte gerückt. Möglicherweise spiegelt sich hier die Schwächung des konservativen Flügels, der seit dem Beginn der Kanzlerschaft Angela Merkels beobachtet werden kann, innerhalb der Union wider. Während die Sozialdemokraten den Ergebnissen zufolge ihre programmatische Ausrichtung kaum verändert haben, so zeigt sich bei Grünen und Linken insbesondere in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen eine Verschiebung hin zu „linkeren“ Positionen und damit für einen stärker in das Wirtschaftsgeschehen eingreifenden Staat.

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Was implizieren diese programmatischen Verschiebungen für den Regierungsbildungsprozess nach der Bundestagswahl? Wenn Parteien gemäß ihrer inhaltlichen Ausrichtung Koalitionen bilden, was sie auf der Grundlage zahlreicher Studien sowohl in Deutschland als auch in anderen modernen Demokratien tun, dann ergibt sich zum einen ein sehr kohärentes Lager aus Union und FDP. Hingegen hat sich die programmatische Distanz in einem von SPD und Grünen favorisierten rot-grünen Bündnis im Vergleich zu 2009 deutlich vergrößert. Auch sollten sich – aufgrund der nunmehr stärker links angesiedelten Grünen – die Chancen auf eine ohnehin von den beteiligten Akteuren nicht wirklich herbeigesehnte schwarz-grüne Koalition wohl kaum erhöht haben. Wenn es am 22. September weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün reichen sollte, dann spricht – auf der Grundlage der hier ermittelten Parteipositionen – vieles für eine Neuauflage der großen Koalition. Alle in den Medien diskutierten Dreierbündnisse wie die Ampelkoalition, ein Jamaika-Bündnis oder eine Zusammenarbeit von SPD, Grünen und Linken, die zudem von mindestens einer der jeweils beteiligten Parteien bereits ausgeschlossen wurden, hätten mit einem deutlich größeren internen programmatischen Konfliktpotential zu kämpfen als Schwarz-Rot.