Am 30. Juni wird die neue Bremer Landesregierung vereidigt. Wie bereits in der Vorgängerregierung wird die Hälfte des achtköpfigen Bremer Senats weiblich besetzt sein. Bis 2010 stellte dieser Umstand noch ein Alleinstellungsmerkmal unter den deutschen Bundesländern dar. Dann jedoch kam mit dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen und dem Kabinett von Hannelore Kraft eine weitere Landesregierung mit 50 Prozent weiblicher Beteiligung hinzu. Und seit dem 18. Mai 2011 regiert in Rheinland-Pfalz ein Kabinett, in dem der Frauenanteil trotz männlichem Ministerpräsidenten sogar bei 60 Prozent liegt (jeweils ohne Staatssekretäre). Zudem übernimmt am 10. August 2011 im Saarland die bisherige Arbeits- und Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Regierungsführung von Peter Müller. Damit steigt die Zahl der Ministerpräsidentinnen in Deutschland auf drei – so viel wie nie zuvor. Zeit, um einen etwas genaueren Blick auf den aktuellen Frauenanteil in der deutschen Politik zu werfen.
Beginnt man mit einer Betrachtung des deutschen Bundestags und seiner Abgeordneten, so lässt sich feststellen, dass der Frauenanteil hier seit der Bundestagswahl 1998 relativ stabil bei etwa einem Drittel der Bundestagsabgeordneten liegt. Allerdings zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Parteien (vgl. Abbildung 1): So liegt der Frauenanteil bei der CSU bei lediglich 13,6 Prozent, bei den Grünen und der Linken hingegen bei über 50 Prozent. Die FDP belegt mit 25,8 Prozent den vierten Platz hinter der SPD (37,7 Prozent) und knapp vor der CDU (20,2 Prozent). Ein sehr ähnlicher Befund ergibt sich bei einer Betrachtung der durchschnittlichen Frauenanteile in den Fraktionen auf Länderebene (vgl. ebenfalls Abbildung 1). Zu deutlichen Abweichungen zwischen Bundes- und Landesebene kommt es lediglich bei zwei Parteien: So liegt der Frauenanteil bei der CSU im bayerischen Landtag um etwa sieben Prozentpunkte höher als im Bundestag, in den Landtagsfraktionen der Linken hingegen liegt der mittlere Frauenanteil etwa acht Prozentpunkte niedriger als im Bundestag.
Abbildung 1: Frauenanteil Abgeordnete
Betrachtet man in einem zweiten Schritt den Frauenanteil bei den politischen Spitzenämtern in Deutschland, so zeigt sich, dass der Anteil bei den Parteivorsitzenden der Bundestagsparteien deutlich über dem Anteil bei den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag liegt: Drei der sieben Parteivorsitzenden sind Frauen (43 Prozent), aber nur eine der sechs Fraktionsvorsitzenden (17 Prozent). Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich mit Ausnahme von Angela Merkel, der Parteivorsitzenden der CDU, alle weiblichen Fraktions- und Parteivorsitzenden die Leitungsfunktion mit einem männlichen Co-Vorsitzenden teilen. Unter den insgesamt 15 deutschen Bundesministern finden sich fünf Frauen (33 Prozent). Der Frauenanteil bei den sieben CDU-Ministerien (43 Prozent) liegt hierbei höher als bei den drei CSU-Ministerien (33 Prozent) und den fünf FDP-Ministerien (20 Prozent). Durch Angela Merkel als Bundeskanzlerin ergibt sich im Bundeskabinett insgesamt ein Frauenanteil von 38 Prozent.
Abbildung 2: Frauenanteil Spitzenämter
(Graphik anklicken für größere Darstellung)
Bei einem Blick auf die Besetzung der politischen Spitzenämter auf Länderebene zeigt sich, dass der Frauenanteil eher niedriger ausfällt als im Bundestag (vgl. Abbildung 2). Besonders deutlich zeigt sich dieser Befund bei der SPD: Hier findet sich unter den insgesamt 32 Partei- und Fraktionsvorsitzenden in den Ländern nur eine einzige Frau (Katrin Budde, Partei- und Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt). Ähnlich niedrig fällt der Frauenanteil in den Führungspositionen der FDP aus: 15,4 Prozent bei den Parteivorsitzenden, 7,7 Prozent bei den Fraktionsvorsitzenden und nur 5,6 Prozent bei den Ministerposten. Im Gegensatz dazu stellen Frauen bei den Parteivorsitzenden der Grünen in den Ländern sogar die Mehrheit (60 Prozent), ebenso wie bei den Ministerposten (61,3 Prozent). Auch bei der Linken sind Frauen bei den Ministerposten (45,8 Prozent) und den Fraktionsvorsitzenden (38,5 Prozent) vergleichsweise stark vertreten. Betrachtet man dieselben Daten nach Ländern (vgl. Abbildung 3), so fällt insbesondere auf, dass in zwei Ländern (Mecklenburg-Vorpommern, Saarland) kein einziger Fraktionsvorsitz weiblich besetzt ist.
Abbildung 3: Frauenanteil Parlamente
(Graphik anklicken für größere Darstellung)
Fazit: Eine „gläserne Decke“ zeigt sich bei den politischen Spitzenämtern in Deutschland insbesondere bei der Besetzung von Fraktions- und Parteivorsitz. Besonders deutlich kommt dies – auf Parteienebene – bei SPD und FDP bzw. – auf Länderebene – in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zum Vorschein. Beim Anteil der weiblichen Abgeordneten hingegen schneiden CDU, CSU und FDP bzw. Baden-Württemberg (18,1 Prozent), Hessen (23,7 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (22,5 Prozent) besonders schlecht ab. Selbst wenn man den Frauenanteil innerhalb der jeweiligen Parteien als Maßstab heranzieht (und nicht den Frauenanteil an der bundesdeutschen Wählerschaft, fällt das Urteil deshalb eindeutig aus: Von einer angemessenen Repräsentation der Frauen in der deutschen Politik kann nach wie vor nicht gesprochen werden – trotz einer Bundeskanzlerin und dreier Ministerpräsidentinnen.
Quellen:
Gender-Report des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend