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Funkturm Restaurant – ein Kontrollbesuch

 

Gunnar Schupelius von der BZ war kürzlich im Funkturm-Restaurant Essen und hat sich danach bitterlich beschwert. Da Schupelius sich allerdings schon dann unter der biblischen Vorzeile „Mein gerechter Zorn“ beschwert, wenn er bei seinem Auto unnötig oft das Lenkrad benutzen muss oder wenn die BVG eine Haltestelle um einige Meter versetzt, war ich sofort angefixt, als ich seine Restaurantrezension las.

Gestern also Abendessen mit 6 Leuten im Funkturm-Restaurant. Die Firma Capital Catering, die das Restaurant betreibt, bewirbt für den März 2009 ein Buffet mit Südtiroler Spezialitäten. Anders als Herrn Schupelius wurde mir kein fleckiger Stuhl angeboten, sondern das Restaurant wirkte völlig gepflegt, stilvoll eingedeckt, eine insgesamt hochsolide, wenn auch nicht prätentiöse Einrichtung. Die Kellner waren außerordentlich alte Schule, wirkten auf den ersten Blick etwas „dated“, entpuppten sich aber als hochaufmerksame und – bei augenzwinkernder Behandlung – auch recht humorvolle Kerlchen.

Das Buffet ist für 22,50 (Kinder bis 12 zahlen 1 Euro pro Lebensjahr) sehr, sehr fair eingepreist. Die kalten Vorspeisen waren komplett durch die Bank einwandfrei und frisch. Der Lachs kühl und appetitlich dargeboten, der Wildschweinschinken hervorragend, das Vitello tonato konnte ohne Furcht verzehrt werden, manches (z.B. der Linsensalat oder die diversen Fische aus dem Rauch) sogar überdurchschnittlich.

Die Hauptgerichte waren okay, wenn auch nicht berühmt. Die Lammkeule insgesamt aromisch am Besten. Die Lachsforelle ein wenig übergart, ihr bekam es nicht, im selben Rechaud wie das zugehörige Wurzelgemüse aufbewahrt zu weden. Die Maultaschen schmackhaft und nicht zu weich, das Kalbsschnitzel zart aber in etwas zu mächtiger Tunke, der Tafelspitz mit Meeretich ebenfalls fehlerfrei, wenn auch nicht brilliant.

Hohe Nachtisch-Vielfalt, die Mitesser wirkten zufrieden, hierzu kann ich wenig sagen, weil ich kein Nachtischesser bin. Die Käseauswahl am Schluss war auch in bester Ordnung, einige Rohmilchkäse, einige Camembert-Variationen, dazu eine stets in Schuss und Vollzähligkeit gehaltene Brot- und Brötchenauswahl.

Wer ein wenig vom einerlei Abstand nimmt und als Digestif einen Malt Whiskey (immerhin vier stehen zur Auswahl) bestellt, erhält eine Karaffe Eiswasser dazu. Man kann hier schon, wenn man will, aber die meisten wollen nicht, damit kommen wir zum Kern:

Schupelius schreibt in seiner Rezension: „Warum gibt sich die Messe Berlin nicht alle Mühe, dieses Restaurant seiner Würde entsprechend zu betreiben.“ – würde er sich etwas besser in der Gastronomie auskennen, dann wüsste er, dass man damit das Restaurant in die Pleite triebe. Das Restaurant hat nämlich einen Nachteil: das Publikum. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es nur zweierlei Menschen in den Funkturm zieht: Touristen und den wirklich harten Old-School-Westberliner. Alle Menschen, die ich gestern in dem Restaurant gesehen habe, haben sich pudelwohl gefühlt. Hier hatte fast niemand Normalgewicht, fast ein jeder war auf irgendeine Art und Weise drall. Würde man diesem Publikum eine gehobene, ja Feinschmeckerküche anbieten, wäre das Restaurant in 3 Wochen leergefegt. Ein Gastronom, der hier ein Wagnis einginge, würde scheitern. Darüber muss man sich im Klaren sein.

Wer im Funkturm speist, wird in jedem Fall zuvorkommend und außerordentlich flink bedient und kann sich solide die Plauze vollschlagen. Mehr kann – und sollte! – man von einer Restauration dieser Art nicht erwarten.