Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Die Rückkehr der Staatswirtschaft

 

Es ist noch kein Jahrzehnt her, da hat so manch ein westlicher Unternehmer ein chinesisches Staatsunternehmen noch mit den maroden volkseigenen Betrieben der DDR oder der Sowjetunion verbunden. Und zugegeben: Viele von ihnen wirkten tatsächlich so. Der Morgen begann um sechs mit einem Appell und Marschmusik, in Einheiten marschierten die  Arbeiterinnen und Arbeiter dann in ihre Fabrikhallen. An den Wänden hingen rote Banner mit der Aufschrift: „Wir tragen zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft bei“. Und nachmittags, pünktlich um fünf, schrillte eine Klingel und die Arbeiterinnen und Arbeiter verließen die Fabrikhallen und begaben sich in die betriebseigenen Wohneinheiten. Arbeit hatte vor allem einen Zweck: Die Menschen sollten irgendwie auf Trab gehalten werden. Zugleich waren diese Großbetriebe Ressourcenfresser, personell überbesetzt und ihre Produkte alles andere als wettbewerbsfähig.

Während die Volkskombinate der DDR und auch ihre Pendants in den ehemaligen Bruderstaaten längst der Geschichte angehören, sind in der Volksrepublik Staatsunternehmen noch immer sehr weit verbreitet. Sie tragen zu rund 40 Prozent der chinesischen Gesamtproduktion bei. Und nicht nur das: Sie sind inzwischen die profitabelsten Unternehmen der Welt.Haier ist so ein Beispiel. Angefangen hat das Staatsunternehmen in der ehemaligen deutschen Koloniestadt Qingdao als ein einfacher Kühlschrankhersteller. Mit mehr als 70.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden US-Dollar (2010) ist der multinationale Mischkonzern inzwischen der weltgrößte Hersteller von Haushaltswaren. Andere ebenfalls erfolgreiche Namen: Sinopec,Huaneng Group, Baosteel – in ihrer jeweiligen Branche besetzen sie auf den weltweiten Ranglisten alle einen der vorderen Plätze. Die Mär, staatliche Unternehmer bringen es nicht, nur Privatunternehmer wissen profitabel zu wirtschaften, widerlegen Haier & Co.

Das hat auf jeden Fall mit der Industriepolitik und dem chinesischen Bankensystem zu tun. Die Zentral- und auch viele Provinzregierungen erklären die Automobilindustrie, Chemie, Stahl, Solar- oder auch die Flugzeugbauindustrie zu Schlüsselindustrien und subventionieren sie entsprechend. Die Banken, ebenfalls in staatlicher Hand, tragen zum Erfolg der Staatsbetriebe bei, indem sie die Betriebe großzügig mit Krediten versorgen. Und das zu einem Einheitszinssatz, den wiederum die Zentralbank vorgibt. Erst seit wenigen Wochen hat die Zentralbank verfügt, dass die Banken etwas mehr von diesem Einheitszinssatz abweichen dürfen, damit zumindest ein Stück weit mehr Wettbewerb auch unter den Staatsbanken entsteht.

Mit diesem Modell ist die Regierung in den vergangenen Jahren sehr gut gefahren. Denn natürlich ist ein erheblicher Teil des Gewinns der staatseigenen Betriebe eben auch den Staat zurückgeflossen – und zwar über die Steuereinnahmen hinaus.

Und nicht nur das: Auch viele Privatunternehmen in China adaptieren zunehmend das Muster der Staatsbetriebe. Ich bin neulich auf dem Gelände von zwei großen chinesischen Unternehmen gewesen. Bei Yingli, Chinas zweitgrößtem Fotovoltaikhersteller, und Sany, einem sehr erfolgreichen Maschinenbauer, der vor Kurzem das schwäbische Traditionsunternehmen Putzmeister aufgekauft hat. Auch hier sind die Arbeiterinnen und Arbeiter in Einheiten aufgeteilt. Es hängen dieselben roten Banner mit Appellen an den Firmenzäunen und den Wänden der Fabrikhallen wie in einem Staatsbetrieb. Und wie ein Staatsunternehmer pflegen diese Firmenchefs beste Kontakte zur Führung in Peking.

Es ist daher kein Zufall, dass auch diese Firmen häufig von ehemaligen Angehörigen der Volksbefreiungsarmee gegründet und bis heute geführt werden. Yingli-Gründer Miao Liansheng etwa hat viele Jahre als Offizier der Volksbefreiungsarmee gedient und den Erfolg seiner Firma den engen Kontakten aus der Zeit zu verdanken.

Und auch der Technologieriese Huawei, das erste multinationale Unternehmen aus China, das westliche Technologiekonzerne nun auf ihren Heimatmärkten schlägt und inzwischen der zweitgrößte Telekomausrüster der Welt überhaupt ist, hat ein ehemaliger Armeeangehöriger gegründet. Ren Zhengfei war in Maos Zeiten leitender Ingenieur in der Volksbefreiungsarmee und ist bis heute wie im Übrigen die meisten großen Unternehmer in China Mitglied der Kommunistischen Partei.

Schon haben die USA, Deutschland und viele westliche Staaten Sicherheitsbedenken. Das Deutsche Forschungsnetz (DFN) etwa hat vor Kurzem den Auftrag für den weiteren Ausbau seines Wissenschaftsnetzes doch lieber an ein israelisches Unternehmen vergeben. „China ist kein Verbündeter eines der entwickelten Länder, sondern ein potenzieller Rivale“, warnt David Wolf, Autor eines Buches über Chinas Telekommunikationsmarkt.

Das mag zwar so sein, dürfte viele westliche Auftraggeber aber zunehmend in Bredouille bringen. Mit 146.000 Mitarbeitern weltweit operiert Huawei bereits in mehr als 150 Ländern. Die deutsche Tochterfirma hat ihren Sitz in Eschborn und beschäftigt mehr als 1.400 Mitarbeiter in neun deutschen Städten. Erst 2008 hat Huawei die Europazentrale von London nach Düsseldorf verlegt. Unter anderem ist das chinesische Unternehmen für den Wartungs- und Servicebereich des gesamten O2-Netzes zuständig. 45 der 50 größten Telekom-Netzwerke der Welt arbeiten inzwischen mit Ausrüstung von Huawei. Und selbst die Konkurrenten Ericsson und Cisco lassen heute in China fertigen, ohne das jemand Sicherheitsprobleme befürchtet, heißt es auch von der US-Denkfabrik American Enterprise Institute (AEI) in einer speziell zu Huawei angefertigten Studie.

Hinter diesen angeblichen Sicherheitsbedenken dürften denn wohl auch noch ganz andere Motive stecken. Im derzeitigen US-Wahlkampf scheint es momentan recht populär zu sein, gegen chinesische Produkte zu wettern. Und in Zeiten des offiziell propagierten globalen Freihandels versucht so manch ein Land doch noch irgendwie einen Weg zu finden, Protektionismus durch die Hintertür wieder einzuführen.