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Chinesen gründen aus Frust eigenes Ikea

 

Sie sehen aus wie „Billy“, „Pax'“ oder „Hemnes“ und lassen sich ähnlich einfach zusammensetzen. Tatsächlich kommen sie auch aus denselben Fabriken. Und doch sind die ausgestellten Möbel nicht vom berühmten schwedischen Möbelkonzern Ikea – sondern von „Joyme“, der neuen chinesischen Konkurrenz. Im Süden Pekings hat Joyme vor wenigen Wochen die zweite Filiale in China eröffnet, die erste ging bereits zu Jahresbeginn in der Provinz Heilongjiang an den Start.

„Wir machen nicht nur Ikea nach“, beteuert der Filialleiter des Möbelgeschäftes. „Wir haben unser eigenes Design.“ Tatsächlich gibt es bei einigen Möbelstücken leichte Variationen. Die Vitrinentür des Hemnes-Schrankes fällt am Scharnier etwa breiter aus. „Molger“ fürs Badezimmer gibt es auch in dunkelgrün und das „Expedit“-Regal mit vier und nicht nur wie beim Ikea-Original mit nur zwei Türen. Ansonsten aber ist das Design des schwedischen Möbelgiganten unverkennbar. Selbst die Angestellten tragen gelb-blaue Polohemden.

Hinter Joyme stecken ehemalige Ikea-Lieferanten, die nun in China auf eigene Faust ein Konkurrenzunternehmen aufbauen. Es ist die Folge eines jahrelangen Streits zwischen Ikea und seinen Zulieferern. Für seine weltweit insgesamt rund 340 Filialen lässt das schwedische Unternehmen etwa ein Viertel seiner Waren in China herstellen. Während der Holzpreis in China stetig steigt – allein im Jahr 2010 um 40 Prozent – und die Löhne sich innerhalb von fünf Jahren für die Kleinunternehmen fast verdoppelt haben, versucht Ikea die Einkaufspreise jedes Jahr um zwei bis fünf Prozent zu senken.

Dabei sind die durchschnittlichen Löhne in diesen Betrieben von umgerechnet weniger als 250 Euro im Monat auch für chinesische Verhältnisse weiterhin niedrig. Ikea jedoch will seine Niedrigpreispolitik auch den Lieferanten aufdrücken.

Einige der mehr als Hundert Lieferanten in China haben ihre Zusammenarbeit mit Ikea daher aufgekündigt – unter anderem 15 Betriebe, die sich Anfang des Jahres zusammengeschlossen und Joyme gegründet haben. Noch vertreibt das junge Unternehmen seine Waren vorwiegend im Internet über das in China sehr weit verbreitete Einkaufsportal Taobao. 20 Geschäfte befinden sich im Bau. Schon innerhalb der nächsten drei Jahre sollen landesweit zwischen 300 und 500 Filialen hinzukommen. Zum Vergleich: Ikea betreibt in China derzeit elf Einrichtungshäuser, drei weitere Filialen plant das Unternehmen dieses Jahr.

Joyme könnte nur der Anfang sein. 300 weitere Zulieferer drohen, sich von Ikea wegen Preisdrückerei abzuwenden und ähnliche Möbel auf eigene Wege zu vertreiben und gar zu exportieren. Ein deutsches Unternehmen soll nach Angaben von Zheng Zhong, Geschäftsführer von Joyme, bereits Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet haben. Die Betriebe seien die ständigen Rabattforderungen von Ikea leid und arbeiten nun lieber auf eigene Rechnung, sagt Zheng.

Ikea in Peking hat die Gründung von Joyme registriert und sie an die Firma „Inter Ikea Systems“ weitergeleitet. Diese Tochter mit Sitz in den Niederlanden ist Inhaberin der Markenrechte für alle Ikea-Produkte. In der Volksrepublik selbst will Ikea China gegen Joyme vorerst nicht markenrechtlich vorgehen. Das könnte auch schwierig werden. Von den insgesamt über 10.000 Ikea-Produkten sollen nach Angaben von Joyme nur 30 markenrechtlich geschützt sein. Ikea wollte diese Zahlen auf Anfrage nicht bestätigen.

Joyme will es beim bloßen Abkupfern nicht belassen, sondern über den Online-Vertrieb auch eigene Akzente setzen. So plant das Unternehmen in ihren Ausstellungsräumen Strichcodes an jedem Möbelstück. Der Kunde soll dann die gewünschten Möbel bequem per Handy-App bestellen und nach Hause liefern lassen. Und Köttbullar, die bekannten schwedischen Fleischbällchen aus den Ikea Kantinen, soll es bei Joyme ebenfalls nicht geben. Sie kommen bei chinesischen Möbelkäufern eh nicht so gut an.