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Zensur, der Wirtschaft zuliebe

 

Anlässlich des dreitägigen Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Peking war am Montag erstmals die sogenannte deutsch-chinesische Wirtschaftskommission zusammengetreten. Dabei handelt es sich um ein neu gegründetes Gremium, das sich aus jeweils zwölf deutschen und zwölf chinesischen Firmen zusammensetzt. Ihr Ziel: Sie wollen sich nicht nur regelmäßig treffen und Probleme erörtern, die sich in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Länder ergeben, sondern ihren Regierungen auch Empfehlungen für wirtschaftspolitische Reformen geben. Doch eine Empfehlung erweist sich als politisch höchst brisant. 

Zumindest in der Version des Papiers, die bis Montag in den Delegationskreisen kursierte, wird die Bundesregierung aufgefordert, doch für eine „faire und korrekte“ Berichterstattung zu sorgen. Einige deutsche Medien würden „unverantwortlich und inkorrekt über Chinas Menschenrechte und politische Fragen berichten“, heißt es (siehe Foto). Dies habe „erhebliche negative Auswirkungen“ auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte als erstes über den Entwurf berichtet.

Privates Unternehmertum ist in China zumeist eine hochpolitische Angelegenheit. Auch für deutsche Unternehmer. Denn wer in der Volksrepublik investieren will, ist in dem autoritär regierten Staat sehr oft auf das Wohlwollen der chinesischen Führung angewiesen und wird zudem oft dazu verpflichtet, mit einem chinesischen Staatsunternehmen zu kooperieren.

In einem Vorentwurf fordern die Unternehmen Zensur deutscher Medien
In einem Vorentwurf fordern die Unternehmen Zensur deutscher Medien

Damit sich der zuweilen auftretende Groll der chinesischen Führung über die aus ihrer Sicht allzu kritische Berichterstattung deutscher Journalisten auf keinen Fall auf die Geschäfte auswirkt, erleben es die in Peking stationierten Korrespondenten immer wieder, dass deutsche Unternehmer auf sie einwirken, China doch nicht in einem allzu schlechten Licht darzustellen. Es bleibt ihnen unbenommen, mit deutschen Journalisten über die Berichterstattung zu diskutieren. Doch zuweilen besteht die Gefahr, dass deutsche Wirtschaftsvertreter sich nur vor den Karren der chinesischen Führung spannen lassen.

Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) und Mitverfasser dieses Papiers, bestritt am Dienstag, dass diese genannte Passage jemals in dem Entwurf gestanden hat. Zugleich weigerte er sich aber, die endgültige Version der Presse zur Verfügung zu stellen. Das sei mit der chinesischen Seite so abgesprochen.

In einer am Dienstagvormittag dann dennoch kursierenden offensichtlich neuen Version dieses Papiers heißt es dann abgeschwächt: Es sei „gemeinsame Aufgabe der Regierungen und Unternehmen beider Seiten, ein gutes Ansehen von chinesischen Unternehmen in Deutschland zu fördern“. Sehr viel allgemeiner formuliert ist in der aktualisierten Version nun davon die Rede, dass chinesische Unternehmen „auf objektive und unparteiische Weise“ darzustellen seien.

Das Papier enthält durchaus auch sinnvolle Anregungen zur Förderung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. So fordern die deutschen Unternehmer von der chinesischen Führung einen leichteren Marktzugang, Gleichbehandlung bei öffentlichen Aufträgen und die Aufhebung zahlreicher Beschränkungen, eben etwa den derzeit noch geltenden Zwang zu Gemeinschaftsunternehmen. Die chinesischen Wirtschaftsvertreter wiederum erhoffen sich mehr Unterstützung, wenn sie in Deutschland investieren wollen, etwa bei Problemen mit dem deutschen Aufenthaltsrecht.

Für weitere Irritationen sorgte der Vorschlag der Wirtschaftsvertreter, einen Innovationsfonds zu gründen, der nicht nur mit privaten, sondern auch mit Steuermitteln finanziert werden soll. Der Bundesregierung wird die Kooperation deutscher und chinesischer Universitäten vorgeschlagen, um „Brutkästen für Innovation sowie Forschung und Entwicklung zu schaffen“. APA-Chef Lienhard gab auf Nachfrage zu, dass die Empfehlungen nicht mit der Bundesregierung abgestimmt waren. Dieser Fonds sei lediglich eine Idee. Es liege an der Bundesregierung, ob es dafür Geld gebe.

Dieser Vorschlag in allen Ehren. Doch zumindest die deutschen Wirtschaftsvertreter sollten es wissen: Für Universitäten ist nicht die Bundesregierung zuständig. Sie sind in Deutschland Ländersache.