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Chinas Schlampereien beim Arbeitsschutz

 

Mit den Arbeitsschutzbestimmungen in den meisten chinesischen Fabriken verhält es sich wie mit den Verkehrsregeln in dem Land. Es gibt sie. Und sie können mit den hohen Standards westlicher Länder durchaus mithalten. Nur hält sich daran kaum jemand.

Das hat sich nun wieder einmal gezeigt:  Am Samstagmorgen kamen bei einer schweren Explosion in einer Fabrik eines chinesischen Auto-Zulieferers mindestens 69 Menschen ums Leben, rund 200 wurden verletzt. Das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit erklärte, ein zu hoher Anteil von Metallstaub in der Luft habe die Explosion ausgelöst.

Dieser leicht entflammbare Staub entsteht beim Polieren von Metallteilen. Kommt er auch nur mit etwas Hitze oder einer kleinen Flamme in Berührung, kann dies zu einer Explosion führen. Dass in der Fabrik überhaupt so viel Metallstaub in der Luft hing, deutet darauf hin, dass die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Der schwere Unfall dürfte also bisherigen Kenntnissen zufolge auf menschlichem Versagen beruhen. 

Bei der Fabrik handelt es sich um eine Werkhalle der taiwanesischen Firma Zhongrong Metal Co. in der Stadt Kunshan. In der Industriestadt vor den Toren Shanghais sind Tausende von Fabriken und Betrieben ansässig, die für den Export produzieren. Das Unternehmen Zhongrong Metal Co. produziert dort vor allem Radnaben und beliefert nach eigenen Angaben auch internationale Autohersteller wie General Motors, den Mutterkonzern von Opel.

Weil sich die Detonation am frühen Morgen während des Schichtwechsels ereignete, befanden sich besonders viele Mitarbeiter auf dem Gelände, auf dem insgesamt 450 Menschen arbeiten. Dem chinesischen Staatssender CCTV zufolge starben 40 Menschen vor Ort, weitere 28 erlagen ihren schweren Brandverletzungen im Krankenhaus.

Arbeitsunfälle dieser Tragweite sind in China Alltag. Nach einer Vielzahl von schweren Unglücken in verschiedenen Branchen hat die chinesische Führung die Arbeitsschutzbestimmungen zwar deutlich verschärft und mehrfach versprochen, die Kontrollen auszuweiten. Internationale Arbeitsorganisationen bestätigen auch, an den offiziellen Sicherheitsvorschriften gebe es nur wenig zu beanstanden. Sie entsprächen Standards wie sie in entwickelten Ländern selbstverständlich sind. Nur hapere es in China an der Umsetzung.

2.500 Tote bei Arbeitsunfällen allein 2013

Das Ausmaß dieser Mängel ist gewaltig: Allein im vergangenen Jahr kamen mehr als 2.500 Menschen bei Arbeitsunfällen um, 270.000 wurden verletzt. Unvergessen ist in China der verheerende Brand einer Geflügelschlachterei in der Provinz Jilin vom Juni 2013. Weil die Notausgänge vollgestellt und zum Teil sogar verriegelt waren, erstickten 120 Menschen.

Die meisten Arbeitsunfälle finden derzeit beim Bergbau statt. Alle paar Wochen kommt es in einem der Zehntausenden Bergwerke im Land zu Explosionen. Dabei kommen meist viele Dutzend Kumpels ums Leben. Auch beim Straßenbau, der inzwischen vor allem in den hochgelegenen und schwer zu erschließenden Gegenden im Westen Chinas stattfindet, verunglücken jedes Jahr Hunderte. Doch das sind nur die offiziellen Angaben. Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen. Immer wieder ist von Betrieben zu hören, die ihre verletzten Arbeiter unter Ausübung von Druck, zum Teil auch mit Geld, zum Schweigen bringen.

Dass sich das ganze Land mit der Umsetzung der Arbeitsschutzbestimmungen so schwer tut, ist aber keineswegs nur auf skrupellose Fabrikleiter und korrupte Behörden zurückzuführen. Diese gibt es zwar in großer Zahl. Doch auch viele der Mitarbeiter nehmen es mit den Vorschriften häufig nicht genau.

Viele Arbeiter kennen die Bestimmungen oft gar nicht. Stattdessen findet sich in vielen Betrieben die „Chabuduo-Haltung“, was übersetzt so viel heißt wie „ungefähr“. So werden etwa Maschinen nicht ausreichend gewartet, Notausgänge zugestellt, die Brandschutzbestimmungen und andere Sicherheitsvorkehrungen nicht beachtet. Dass viele der Arbeiter schlecht informiert sind, ist zwar in erster Linie der Fabrikleitung anzulasten. Doch es mangelt auf allen Ebenen an Sicherheitsbewusstsein.

Bei der Explosion in der Metallfabrik in Kunshan hat die Polizei zwar noch am selben Tag fünf der Fabrikleiter festgenommen. Sie müssen nun – sicherlich zu Recht – die Verantwortung übernehmen. Das dürfte aber kaum dazu führen, dass die Sicherheitsbestimmungen in chinesischen Fabriken insgesamt strenger eingehalten werden. Denn weiterhin dürfte wohl gelten: Es mangelt an Aufklärung.