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China verschenkt nichts

 

Ungünstiger konnte der Besuch des chinesischen Premierministers Li Keqiang in Brüssel kaum liegen. Zwar empfing EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den chinesischen Regierungschef am Montag zum EU-China-Gipfel. Doch Junckers Gedanken dürften ganz woanders gewesen sein – bei der Griechenland-Krise und dem drohenden Auseinanderbrechen der Eurozone.

Immerhin hatte Li ein paar aufmunternde Worte parat: Ein blühendes, geeintes Europa und ein robuster Euro seien auch in Pekings Interesse, sagte der chinesische Premier. „Europa kann sich Chinas Unterstützung bei der Bewältigung der internationalen Finanzkrise und dem Schuldenproblem in Griechenland sicher sein.“ Seine Worte dürften Ernst gemeint sein – und zwar aus Dankbarkeit.

Fast zeitgleich unterzeichneten Vertreter von 56 Staaten in der Großen Halle des Volkes in Peking die Gründungserklärung der von China ins Leben gerufenen Entwicklungsbank für Asien (AIIB). Unter ihnen waren auch die Vertreter fast aller EU-Staaten. Deutschland wird nach China, Indien und Russland sogar der größte Geldgeber dieser neuen Bank. Insgesamt 900 Millionen US-Dollar wollen die Deutschen zur Verfügung stellen und damit rund vier Prozent am neuen Institut halten. China gehört knapp ein Drittel.

An und für sich ist an der Gründung einer Entwicklungsbank wenig auszusetzen. Es gibt eine Reihe von regionalen Entwicklungsbanken, um etwa Verkehrsinfrastrukturprojekte zu finanzieren. Auch China hat die AIIB im vergangenen Jahr aus der Taufe gehoben, um in erster Linie Geld für Straßen, Bahnstrecken und Brücken nach Asien zu leiten.

Und doch ist die AIIB ein Politikum: Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt fühlt sich China schon seit einiger Zeit in den bestehenden Weltfinanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds oder Weltbank unterrepräsentiert. Denn hier dominieren – trotz Reformversprechen – weiter vor allem die USA und die europäischen Staaten. Die USA sehen in der AIIB daher eine wachsende Konkurrenz. Chinas regionaler Rivale Japan ebenso. Beide Staaten sind daher nicht dabei.

Dass die Europäer entgegen dem Willen der USA trotzdem mitmachen, empfindet Peking als Triumph. Entsprechend dankbar sind die Chinesen den Europäern. Dabei teilen viele europäische Unternehmer die grundsätzlichen Bedenken, die die USA gegenüber China haben. Immer mehr chinesische Investoren strömen nach Europa und kaufen ganze Unternehmen auf. Die Volksrepublik hingegen schottet wichtige Branchen für Ausländer ab. Wer in China investieren möchte, kann dies nur zusammen mit einem chinesischen Partnerunternehmen im Rahmen eines sogenannten Joint Ventures tun. Die Europäische Handelskammer in Peking fordert schon seit Langem eine Abschaffung dieses Zwangs und sieht im China-EU-Gipfel die Gelegenheit, hier den Druck zu erhöhen.

EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen hat diese Forderung zwar auch zur Sprache gebracht. Zum Durchbruch für die europäische Seite kam es auf dem Gipfel in Brüssel aber nicht. So weit reicht Chinas Dankbarkeit dann doch nicht.

Auch auf substanzielle Hilfe aus China etwa für den Pleitekandidaten Griechenland kann Brüssel nicht setzen. Li versprach zwar in Brüssel, weiter in Euro-Anleihen zu investieren und ist auch an Investitionen in den Krisenländern interessiert. So betreibt das chinesische Frachtunternehmen Cosco bereits den griechischen Hafen Piräus und würde gerne die gesamte Anlage kaufen. Doch der Frage, ob eine stärkere Unterstützung Griechenlands durch China denkbar sei, wich Li aus. Peking habe der Regierung in Athen bereits mehrfach geholfen. Im Prinzip gehe es um eine EU-interne Angelegenheit.

Der wahre Grund, der chinesische Staats- und Privatunternehmen derzeit nach Europa treibt, dürfte der billige Euro sein. Und interessiert sind sie vor allem an profitablen deutschen Elektrotechnik- oder Maschinenbau-Herstellern – und nicht so sehr an griechischen Olivenplantagen. Almosen hat Peking nicht zu vergeben.

Für China ist das Engagement in Europa ohnehin nur ein klitzekleiner Teil seiner globalen Investitionsoffensive. Die chinesische Führung hat angekündigt, dass die Volksrepublik in den kommenden zehn Jahren weltweit rund 1,2 Billionen Dollar anlegen will. Der Löwenanteil soll an die USA gehen, an das rohstoffreiche Australien oder Länder in Zentralasien, die China zunehmend als sein Hinterland betrachtet. Für die angekündigten Investitionen in den USA muss Washington allerdings nicht Chinas initiierter Entwicklungsbank beitreten.