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Helm, ja bitte, aber nicht immer!

 

Ich bin Helmträgerin, meistens – und ich bin gegen die Helmpflicht. Für mich ist das kein Widerspruch. Es gibt Situationen, in denen ich selbstverständlich einen Helm überstreife, aber es gibt ebenso viele Fahrrad-Momente, in denen ich nie auf die Idee käme, einen Helm zu tragen.

Vielleicht liegt es an meiner Sozialisation. In den 1970ern, als ich Radfahren lernte, gab es keine Helme. Wir fuhren mit dem Rad zur Schule, zum Sport und ins Schwimmbad. Ich kann mich an diverse Fahrradstürze erinnern, die wir zu Hause nie erwähnten. Warum auch? Stürze beim Radfahren oder Rollschuhfahren oder beim Spielen auf dem Schulhof gehörten damals zum Alltag. Es war eindeutig besser, wenn das Knie blutete, aber dafür die Hose heil blieb.

Heute ist das anders. Eltern sind vorsichtiger, behütender geworden. Natürlich tragen meine Kinder auf dem Fahrrad einen Helm. Ich auch: beim Mountainbiken, auf dem Rennrad und je nachdem, wo und in welchen Städten ich unterwegs bin. Aber auf vielen Strecken, die ich mit meinen Kindern in gemächlichem Tempo zurücklege, begleite ich sie ohne Helm. Ich bin dann langsam unterwegs, und ich fühle mich sicher auf den Straßen und Radwegen.

Aus Sicht der Richter des Oberlandesgerichts in Schleswig verhalte ich mich in diesen Momenten fahrlässig oder, wie sie es ausdrücken, als nicht-verständiger Mensch. Der Grund: „Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden.“

Die Richter bewerten den Verkehr für Radfahrer grundsätzlich als gefährlich. Die logische Konsequenz für sie ist, dass die Velofahrer in jedem Augenblick ihres Radfahrerlebens mit einem Sturz rechnen müssen und sich dementsprechend zu wappnen haben.

Ich sehe das anders. Allerdings empfinde ich den Straßenverkehr, im Gegensatz zu den OLG-Richtern, nicht per se als gefährlich.

Mit der Auffassung bin ich anscheinend nicht allein. Denn in Deutschland tragen nur etwa zehn Prozent der Radfahrer Helm. Auch in den Radfahrvorbildern Niederlande und Kopenhagen sind sie die Ausnahme. Allein die Idee erscheint den meisten Alltagsradlern dort absurd. Allerdings ist die Infrastruktur für sie auch bedeutend fahrradfreundlicher als in den meisten Städten Deutschlands. Nun will die Bundesregierung hierzulande ebenfalls den Radverkehr steigern. Um das Ziel zu erreichen, soll die Infrastruktur ausgebaut und das Verkehrsklima verbessert werden. Beides steigert die Sicherheit für die Radfahrer wahrscheinlich effektiver und nachhaltiger als ein Fahrradhelm.

Die Helmfrage wird unter Vertretern der Branche immer wieder kontrovers diskutiert. Je nach Gusto werden die Studien zitiert, die den eigenen Standpunkt – pro oder contra Helm – untermauern. Da den Studien die Kontrollgruppe fehlt, sind sie allesamt nur eingeschränkt aussagekräftig.

Die Folgen einer Helmpflicht zeigt allerdings das Beispiel Australien. Dort ist seit ihrer Einführung der Anteil der Radfahrer in den Städten von etwa 40 auf 20 Prozent gesunken. Und der positive Nebeneffekt des Radfahrens gleich mit.

Ich glaube, dass mich ein Helm bei einem Sturz schützt. Ich bin aber nicht bereit, jede einzelne Fahrt mit dem Rad als grundsätzlich gefährlich einzustufen. Der Ort und die Geschwindigkeit spielen eine Rolle für meine Entscheidung. Und die Entscheidung für oder gegen den Helm möchte ich auch weiterhin selbst treffen können.