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Wo wollen wir Rad fahren?

 

Für das Radfahren ist eine Infrastruktur nötig, in der sich jeder sicher fühlt. Aber wann fühlt man sich sicher? Die gängige Expertenmeinung dazu lautet: Am sichersten sind Radfahrer auf der Straße aufgehoben. Wirklich? Der Geschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, zweifelte das auf dem Berliner Vivavelo-Kongress in dieser Woche an.

„Nur fünf Prozent der Radfahrer fühlen sich laut Fahrrad-Monitor auf ihren Wegen sicher“, sagt der ADFC-Chef. Etwa die Hälfte der Radfahrer fühle sich meistens sicher. Und die anderen?

Untersuchungen zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zeigen laut Stork: Menschen meiden Bus, S- oder U-Bahn, wenn sie sich an den Haltestellen oder auf den Bahnsteigen unsicher und unwohl fühlen. Zwar gebe es keine vergleichbaren Untersuchungen über Radfahrer auf Radwegen und Straßen. Aber dafür sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache. „Alltagsradler fahren im Durchschnitt 3,5 Kilometer weit. Im Jahresdurchschnitt sind es 400 Kilometer“, sagte Stork. Das sei unglaublich wenig. Für ihn ist das vor allem ein Beweis dafür, dass sich die Menschen nicht auf das Rad trauen.

Als Beleg dafür, welche Auswirkungen die Infrastruktur auf Radfahrer haben kann, zitiert Stork eine Untersuchung aus Portland, einer Großstadt im Nordwesten der USA. Roger Geller hat dort vor einigen Jahren die Bevölkerung befragt, ob sie Rad fahren und wie sie sich dabei fühlen. Auf Basis der Antworten hat er vier Radfahrer-Typen identifiziert. Die erste Gruppe fällt in die Kategorie „stark und furchtlos“. Sie umfasst weniger als ein Prozent aller Befragten und besteht fast ausschließlich aus Männern. Die zweite Gruppe radelt „begeistert und souverän“, macht etwa sieben Prozent der Befragten aus und besteht wiederum hauptsächlich aus Männern. Die größte Gruppe (60 Prozent) ist „interessiert, aber besorgt“. Rund 33 Prozent wollen auf keinen Fall beziehungsweise niemals Rad fahren.

Portland Multi-Modal Nexus has the Largest Valet Bike Parking in the U.S. from STREETFILMS on Vimeo.

Die „Interessierten, aber Besorgten“ sind für Stork interessant. Sie fahren Rad, aber nur in ihrem Viertel, wo sie sich einigermaßen sicher fühlen. Ansonsten haben sie Angst. Für Deutschland geht Stork von einer ähnlichen Verteilung aus. Aber: „Radfahren soll keinen Mut erfordern“, sagt er.

In Portland wurde die Infrastruktur von 1999 an stetig ausgebaut. Seitdem wächst die Zahl der Radfahrer stetig. Vielerorts werden die Radfahrer separat geführt, wie der oben stehende Film zeigt. Dort fühlen sich die Radfahrer sicher.

Storks Forderung: Es müsse vollkommen neu darüber nachgedacht werden, wie eine radfahrfreundliche Infrastruktur aussieht, mit der sich Radfahrer wohlfühlen.

Dazu kann ein Blick auf die Radverkehrsführung in den Niederlanden und in Kopenhagen dienen – oder auch in Barcelona, einer Stadt, die noch am Anfang ihrer Radverkehrinfrastruktur steht. Dort wird der Radverkehr auf der Straße klarer von den Autos abgegrenzt als in Deutschland. Für unsichere Fahrer, Ältere und Kinder ist das komfortabel. Müssen Deutschlands Verkehrsplaner also zurück auf Start?

Dieses Video zeigt an verschiedenen Beispielen, wie die Niederlande in einer ihrer „Autostädte“ den Radverkehr führt.