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Radweg als Stromquelle

 

© SolaRoad
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Dass ihr Radwegenetz ausgezeichnet und sicher ist, reicht den Niederländern nicht mehr. Sie stellen neue Anforderungen an ihre Infrastruktur. Radwege sollen die Sicherheit ihrer Nutzer erhöhen und im besten Fall auch noch Energie produzieren. Die ersten Pilotprojekte laufen bereits. Das neueste wird am kommenden Mittwoch in Betrieb genommen: ein 70 Meter langer Solarradweg in Krommenie, einer 16.000 Einwohnerstadt 25 Kilometer nördlich von Amsterdam. Bis 2016 soll die Strecke auf 100 Meter ausgedehnt werden. Dann soll der Radweg so viel Strom produzieren, dass er bis zu drei Haushalte mit Energie versorgen kann. Es ist der erste Weg dieser Art auf der Welt.

Die Strecke besteht aus rechteckigen, zweieinhalb mal dreieinhalb Meter großen Betonelementen, in denen Solarmodule aus Silizium versenkt sind. Eine zentimeterdicke rutschfeste Schicht aus Sicherheitsglas bedeckt die Module und bildet gleichzeitig die befahrbare Oberfläche. Sie soll das Gewicht eines Lkw aushalten.

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Für das Projekt haben sich erfahrene Partner gefunden. Die niederländische Industrieforschungsorganisation TNO ist beteiligt, außerdem der niederländische Straßenbauspezialist Ooms Civiel, das Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen Imtech und die Provinz Nord-Holland.

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Das 100 Meter lange Stück Radweg in Krommenie kostet insgesamt drei Millionen Euro. Das ist üppig. In der Bundesrepublik liegen die durchschnittlichen Baukosten für Radwege an Bundesstraßen bei rund 200.000 Euro pro Kilometer; die 100-Meter-Strecke kommt dort also auf 20.000 Euro. Die Kosten können laut Bundesverkehrsministerium jedoch deutlich überschritten werden, wenn aufwendige Bauarbeiten, Stützwände oder statische Arbeiten nötig werden. Das entspricht in etwa den Zahlen, die die ADFC-Sprecherin Stephanie Krone aus Potsdam kennt. Dort kosten 100 Meter Radweg, bei einer Breite von zwei Metern, 16.000 bis 24.000 Euro.

Selbst Deutschlands Prestigeprojekt liegt mit seinen Kosten deutlich unter dem, was die Niederländer in ihr Pilotprojekt Solarradweg investieren. Für den First-Class-Radweg namens Radschnellweg Ruhr sind aktuell 183,7 Millionen Euro eingeplant. Das wären 181.881 Euro pro 100 Meter. Der Radschnellweg soll auf einer Länge von 101 Kilometern zehn Städte miteinander verbinden. Die Strecke führt über alte Bahntrassen, an Kanälen entlang und durch die Innenstädte, wird durchgehend asphaltiert sein und auf Autostraßen räumlich abgegrenzt geführt werden.

Bis sich in Krommenie die Investition des Solarradwegs amortisiert, vergehen laut einer Machbarkeitsstudie rund 20 Jahre. Technische Weiterentwicklungen sollen die Zeitspanne auf weniger als 15 Jahre reduzieren. Jetzt sollen über drei Jahre hinweg Erfahrungen mit dem Solarweg gesammelt werden.

Radweg, der im Dunkeln leuchtet

Die Idee, Verkehrsflächen als Energiequelle zu nutzen, hat noch mehr Anhänger. In den USA sammelte in den vergangenen Monaten ein Ingenieursehepaar per Crowdfunding zwei Millionen Dollar für den Bau der ersten Solarstraße der Welt. Nun kamen ihnen die Niederländer zuvor.

Unsere Nachbarn experimentieren seit Langem mit weiteren Technologien für innovative Radwege. Bereits im Frühjahr wurde in Wageningen am Niederrhein ein 50 Meter langes Stück Radweg eingeweiht, dessen Platten bei Dunkelheit leuchten. Die Markierungen mit der Glow-in-the-Dark-Technologie – was so viel heißt wie „Leuchten im Dunkeln“ – laden sich im Tageslicht auf und geben das Licht nachts wieder ab. Und dank Wärmespeicher sollen die beheizten Betonplatten selbst bei strengem Frost nicht einfrieren. Die Gemeinde testet den Radweg drei Jahre bis 2017.

Ein weiteres Projekt sind beheizbare Radwege, die im Winter schnee- und eisfrei bleiben. Schon 2013 gab es dazu einen Versuch auf dem Betriebsgelände einer niederländischen Kältetechnikfirma. Dafür wurden Schläuche in Beton verlegt, durch die Grundwasser gepumpt wurde. In der Regel hat das Grundwasser in den Niederlanden eine Temperatur von 11 bis 15 Grad.

An dem Versuchstag wurde rund 7 Grad warmes Wasser durch die Rohre geleitet. Es schneite den ganzen Tag, von morgens sieben bis abends um 18 Uhr; das Thermometer zeigte Minustemperaturen, zwischen sechs und zehn Grad unter Null. Dennoch blieb der Weg schneefrei. Ein Traum für viele Radfahrer im Winter.

Die international arbeitende Ingenieursgesellschaft Tauw hat das Projekt nach verschiedenen Machbarkeitsstudien allerdings gestoppt. „Technisch ist das Konzept machbar“, sagt Unternehmenssprecher Tom van der Weegen. Aber ein Markt für den beheizten Radweg sei zurzeit nicht vorhanden. Dafür sei es je nach örtlichen Begebenheiten zu anspruchsvoll und außerdem sehr teuer.

Der Vorteil des Krommenie-Radwegs ist, dass er Strom produziert. Er spielt also einen Teil seiner Kosten wieder ein. Das Teilstück ist ein erster Test. Danach soll das System auf Autostraßen ausgedehnt werden. Funktioniert es, wäre das Potenzial zur Energiegewinnung riesig.