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Mit den Rädern in die zweite Reihe

 

 

Oranienburger Straße Berlin @ Initiative für clevere Städte
In der Oranienstraße in Berlin muss ein Bus an einem in zweiter Reihe stehenden Lieferwagen vorbei. @ Initiative clevere Städte

Der erste internationale Falschparker-Tag für Radfahrer: In Berlin, Hamburg, Oldenburg und Amsterdam parken Fahrradfahrer in zweiter Reihe. Eine Unverschämtheit?

Über Autofahrer, die auf Rad- und Fußwegen oder in zweiter Reihe auf der Straße parken, wundert sich niemand mehr. Sie gehören schon fast zum Stadtbild. Aber muss man sich deshalb mit ihnen abfinden?

Heinrich Strößenreuther findet: Nein, muss man nicht. Der Erfinder der Wegeheld-App ist Geschäftsführer der Initiative clevere Städte, die dafür kämpft, dass Falschparken nicht mehr als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Srtößenreuther war mal Greenpeace-Campaigner, er kennt sich aus mit spektakulären Aktionen. Schon im Dezember hat er in einer Flashmob-Aktion mit ein paar Mitstreitern, als Nikolaus verkleidet, falsch abgestellte Autos von Radstreifen getragen oder in Folie eingepackt. Am Mittwoch beim Falschparkertag wollten sich Räder zusammen ketten und, wie ein Auto, in zweiter Reihe parken.

Ein paar Wochen später standen sie wieder auf der Straße. Dieses Mal in weißen Bademänteln und mit Sprühsahne in der Hand. Damit malten sie auf Autos, die Radwege blockierten oder in zweiter Reihe parkten, Rad-Piktogramme. Oder sie zogen über die ganze Länge des Fahrzeugs den Begrenzungsstreifen des Radwegs nach, den das Auto gerade verdeckte.

© Initiative für clevere Städte
Bilder der Sprühsahne-Aktion im Dezember © Initiative clevere Städte

Falschparker Flashmob
© Maurizio Gambarini/dpa

Für einen ehemaligen Greenpeace-Campaigner sind diese Aktionen relativ harmlos. Allerdings ist der Missstand, den Strößenreuther jetzt anprangert, bedeutend schwieriger zu attackieren als Atomtests, Walfänger und Gentechnik, gegen die er in den achtziger und neunziger Jahren anging. Damals hatten die Umweltschützer eindeutige Feindbilder, und die Gesellschaft sympathisierte mit den Protestaktionen. Bei Falschparkern ist das anders. Man findet sie in allen Bevölkerungs- und Altersschichten, Falschparken regt die Gesellschaft wenig auf. Es hat sich durch die Hintertür über Jahrzehnte etabliert.

Falschparken ist zunächst Gedankenlosigkeit, schlechte Angewohnheit oder schlichtweg Ignoranz. Der Profit ist Zeitgewinn auf Kosten anderer.

Doch Falschparken ist weit mehr als das: Autos, die in zweiter Reihe stehen, halten den Verkehr auf und gefährden Rad- wie Autofahrer, indem sie sie zum Ausweichen auf die Gegenfahrbahn zwingen.

Es wäre darum zu einfach, Strößenreuther als Moralapostel zu bezeichnen oder ihn mit Knöllchen-Horst gleichzusetzen, der Falschparkern auflauert und anzeigt. Seine Aktionen animieren eher dazu, das scheinbar Normale infrage zu stellen. In diesem Fall das Fahrzeug, das Radwege zuparkt oder in zweiter Reihe steht, wo es nicht hingehört. Die Autofahrer, die von den Dezember-Aktionen betroffen waren, wirkten beschämt, sagt Strößenreuther.

Man darf auf die Reaktionen auf den Falschparkertag gespannt sein. Fünf oder zehn Fahrräder auf der Straße abzustellen und abzuschließen ist natürlich völlig absurd. Aber seinen Wagen in zweiter Reihe auf der Straße zu parken, um einen Kaffee zu trinken, ist es ebenso. Nur ist dieser Anblick vertraut.

Der Falschparkertag bereitet einem jahrzehntealten Problem eine neue Bühne – schon 1988 stieg Michael Hartmann in München über parkende Autos auf Bürgersteigen. Heute fordern sogar Verkehrsexperten, Flächen neu zu verteilen und Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu geben. Das zeigt etwa der Aktionsplan der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Förderung der Nahmobilität.

Solche Prozesse brauchen Zeit. Sie können aber beschleunigt werden, wenn der Widerstand in der Bevölkerung wächst. Dafür reicht ein internationaler Falschparkertag für Radfahrer dann allerdings nicht aus.