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Sollen Kinder im Hinterhof ohne Helm Rad fahren?

 

Sollen Kinder im Hinterhof ohne Helm Radfahren?
Radfahrlehrer Christian Burmeister © Asja Caspari

Seit Jahren beschäftigt sich der Wissenschaftler Ian Walker mit der Psychologie rund ums Radfahren und um Sicherheitsaspekte. Im Jahr 2006 hat Walker in einer Studie herausgefunden, dass Autofahrer weniger Abstand zu Radfahrern halten, wenn sie einen Helm tragen.

In seiner jüngsten – und noch nicht veröffentlichten Studie – hat er mit seinem Kollegen Tim Gamble festgestellt, dass Radfahrer mit Helm anscheinend risikofreudiger unterwegs sind. Die 80 Teilnehmer seiner Studie wussten nicht, worum es ging. Sie konnten zwischen einer Baseballkappe und Radfahrhelm als Kopfbedeckung wählen, die jeweils mit einer Kamera verbunden war. Dann wurde ein Luftballon aufgeblasen. Sie bestimmten, wie prall der Ballon aufgeblasen wurde. Das Ergebnis zeigt: Die Teilnehmer, die keinen Helm trugen, waren vorsichtiger. Sie haben die Luftzufuhr früher gestoppt.

Aus dieser Reaktion leiten die Wissenschaftler ab: Wer einen Helm trägt, fühlt sich sicherer und wagt mehr. Aber was ist die Folge aus dieser Untersuchung? Die Helmgegner dürfen sich bestätigt fühlen und bekommen Rückenwind? Im Grunde regt die Studie dazu an, die eigene Haltung und sein eigenes Verhalten im Straßenverkehr zu überdenken. Denn beim Thema Helm wird stets sehr lebhaft diskutiert. Hier sind die Fronten seit Langem verhärtet. Die beiden Lager führen Grabenkämpfe. Jeder fühlt sich im Recht und weicht keinen Millimeter von seiner Position ab.

Der Sportwissenschaflter und Radfahrlehrer Christian Burmeister, der seit fast 30 Jahren Radfahrkurse gibt, findet die Lagerkämpfe falsch und sinnlos. Er plädiert für einen emanzipierten Umgang mit dem Thema. Ihm geht es darum, den Helm mit Sinn und Verstand einzusetzen.

Der Radfahrlehrer ist auch oft  unterwegs ohne Helm © Burmeister
Der Radfahrlehrer ist auch oft unterwegs ohne Helm. © Burmeister

Um seine Haltung zu verdeutlichen, zieht der Sportwissenschaftler gerne den Vergleich mit einer Schwimmweste: „Natürlich kann man bereits in einer Pfütze ertrinken“, sagt er. In einer Badewanne würde etwa niemand Kindern eine Schwimmweste anlegen; bei einer Paddeltour mit der Familie auf der Alster steckt er seine Kinder in die Weste – selbst, wenn die Alster nur 0,5 Meter bis 1,5 Meter tief ist.

Burmeister selbst verzichtet in dem Moment auf die Weste, weil er dort überall stehen kann. Wenn er dagegen auf der Elbe paddelt, legt er die Schwimmweste an.

Ähnlich hält es der Sportwissenschaftler im Straßenverkehr. Ist er auf viel befahrenen Straßen unterwegs, wo die Wagen mit 60 Stundenkilometern an ihm vorbeirauschen, trägt er beim Radfahren einen Helm. Weiß er, dass er nur kurze Stecken in verkehrsberuhigten Seitenstraßen radelt, lässt er den Helm zu Hause.

Er ist der Meinung, dass Kinder im Hinterhof durchaus ohne Helm Rad fahren dürfen. So würden sie ihre Grenzen besser kennenlernen und ein besseres Gefühl fürs Radfahren entwickeln. Außerdem sagt er: „Beim Fußballspielen fallen sie viel öfter auf die Nase als mit dem Fahrrad.“

Burmeister ist die Botschaft wichtig, welche Botschaft man aussendet, wenn man immer einen Helm trägt. Sie lautet: Radfahren ist gefährlich! Das sei aber nicht der Fall. Den Kleinen fehle im Straßenverkehr nur das Augenmaß für brenzlige Situationen. Das haben Erwachsene ihnen voraus. Die Grabenkriege um das Thema findet er ermüdend.

Außerdem wird eines in der Helmdebatte immer gerne vergessen: Sichere Straßen sind der beste Garant für sicheres Radfahren.