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Wenn erneuerbare Energien stören

 

Hochspannungsleitungen stehen im Mittelpunkt der Debatte über den Netzausbau. Foto: dpa

Am Mittwoch wollen die vier Stromnetzbetreiber in Deutschland ihren Ausbauplan vorlegen. Erste Details sind schon bekannt. Demnach müssen in Deutschland neue Leitungen mit einer Länge von rund 3.800 Kilometern gebaut werden. Wirklich neu ist diese Zahl nicht, die Dena-Netzstudie II kam bereits zu einem ähnlichen Ergebnis.

Der Plan der Netzbetreiber soll die Basis für einen bundesweiten Stromnetzentwicklungsplan bilden. Doch nun will der Chef der Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, den Ausbau der erneuerbaren Energien an den Ausbaufortschritt beim Stromnetz koppeln. Der Nachrichtenagentur dapd sagte er: „Wir raten dazu, den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Nord- und Ostdeutschland so zu steuern, dass er synchron verläuft mit dem Ausbau der Trassen.“

Und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der schon im vergangenen Jahr mit der Plakatkampagne „Kraftwerke – ja bitte!“ aufgefallen ist, wird von der Nachrichtenagentur dpa so zitiert: „Unbedingte Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sind zusätzliche fossile Kraftwerke, der Bau neuer Stromleitungen und die Bezahlbarkeit von Energie. Nur wenn Strom für Verbraucher und Unternehmen bezahlbar bleibt, wird der Umbau der Energieversorgung akzeptiert.“ Und dann gibt es auch noch den neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der den Ausbau der Solaranlagen mit dem Netzausbau in Einklang bringen will, weil sonst bei zu viel Sonne die Abschaltung von Solarparks drohe.

Da beginnt man sich doch zu fragen, ob die Energiewende bei diesen drei Herren wirklich in guten Händen ist. Wer, wie Stephan Kohler, den Ausbau erneuerbarer Energien an den Netzausbau koppeln will, will sie vor allem ausbremsen. Die Regierung hat beschlossen, die Stromversorgung bis 2050 mit mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien decken zu wollen. Das geht nach Kohlers Lesart aber nur, wenn nicht mehr so viele Erneuerbare-Energie-Anlagen gebaut werden. Aha. Der übermäßige Ausbau, wenn man ihn so sehen will, von Solaranlagen im Osten, dürften sich mit den jüngsten Solarstrom-Kürzungen für große Freiflächenanlagen ohnehin erledigt haben. Warum also warnt Köhler noch mal davor?

Mit den Windstromausbauplänen in den Ländern hat er zwar Recht. Aber geht der Netzausbau wirklich schneller, wenn erst das Netz und dann die Windräder gebaut werden? Im Süden wiederum, wo die meisten Solaranlagen gebaut werden, ist Altmaiers Forderung, ihren Ausbau an den Ausbau des Stromnetzes zu koppeln auch wenig zielführend. Denn der Solarstrom spielt in den großen Verteilnetzen kaum eine Rolle. Er bringt allerdings die lokalen und regionalen Stromnetze an ihre Grenzen. Dafür gibt es aber weder einen Netzentwicklungsplan noch überhaupt einen Plan. Die meisten lokalen und regionalen Netzbetreiber wissen nicht einmal, was in ihren Netzen los ist, seit diese keine reinen Verteilnetze mehr sind, sondern immer mehr Fotovoltaikanlagenbetreiber ihren Solarstrom einspeisen. Und das wirft Fragen auf für den Netzentwicklungsplan. Denn was ist von einem Höchstspannungsnetz zu halten, das unabhängig von den darunter liegenden Spannungsebenen gebaut wird? Da besteht zumindest das Risiko, sich eine Infrastruktur ans Bein zu binden, die schon in zwanzig Jahren niemand mehr braucht.

Besonders abwegig aber hat sich mal wieder der Bundeswirtschaftsminister geäußert. Es stimmt schon, es braucht Stromleitungen, aber keineswegs nur Hochspannungsleitungen, und womöglich auch gar nicht so viele, wie die Netzbetreiber sich das vorstellen können. Aber Rösler will fossile Kraftwerke. Er will sie vielleicht auch als Backup für Wind- und Solarstrom, die nicht immer in gleicher Menge verfügbar sind. Aber vor allem will Rösler sie als Ersatz für die Atomenergie, weil für ihn die Vokabel Energiewende offenbar nur bedeutet, dass die Kernkraftwerke bis 2022 stillgelegt werden. Warum neue fossile Kraftwerke, die nur noch stundenweise laufen, den Strompreis für die privaten und industriellen Verbraucher stabilisieren sollen, dafür hat er keine Antwort. Denn die müsste auch lauten: Das macht den Strom eher noch teurer. Die alternde Flotte deutscher Kohlekraftwerke müsste in den kommenden zehn Jahren ohnehin ersetzt werden. Auch das würde den Strompreis nach oben treiben. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist für diese Kostensteigerungen nicht allein verantwortlich, und wüsste der Wirtschaftsminister, wovon er redet, dann wüsste er das auch.