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Ausgerechent Tennet fürchtet milliardenschweres Offshore-Desaster

 

Eigentlich ging die Geschichte immer so herum: Die Energiewende auf See kommt nicht in Schwung, weil es an Steckdosen für den Windstrom fehlt. Schließlich muss der Strom aus den Offshore-Windparks ja an Land gebracht werden. Das passiert mit Hilfe von Seekabeln und riesigen Umspannplattformen auf See, die großen Bohrinseln gleichen. Und bei deren Bau kommen Firmen wie der Netzbetreiber Tennet oder Siemens nicht hinterher.

Am Donnerstag hat nun der zuständige Netzbetreiber eine von ihm in Auftrag gegebene Studie veröffentlicht. Und die kommt zu einem – Hoppla – komplett anderem Ergebnis: Es seien die Offshore-Windparks, die nicht hinterherkommen würden. In den kommenden zehn Jahren würden wahrscheinlich Offshore-Windparks mit einer Kapazität von 3.700 Megawatt ans Netz gehen (wenn man pessimistisch ist). Oder im besten Fall etwa 5.900 Megawatt. Auf der anderen Seite baue und plane aber Tennet zurzeit Verteilerplattformen und Seekabel, die insgesamt 6.200 Megawatt Strom transportieren können. Die würden, glaubt man Tennet, dann einfach ungeausgelastet in der Nordsee stehen.

Stranded investment nennen Betriebswirte so etwas, also komplette Fehlinvestitionen. Nutzlose Investitionen. Energiewende-Wahnsinn.

Jährlich könnten sich die Kosten für die nicht genutzten Stromtrassen auf – Achtung – eine Milliarde Euro summieren, warnt Tennet. „Wir bauen bereits heute Anbindungskapazität praktisch auf Vorrat“, klagt Tennet-Geschäftsführer Lex Hartmann. „Wir müssen dringend Wege finden, den Ausbau der Offshore-Windenergie gleichmäßig voranzutreiben, um zumindest die bereits entstehenden Anbindungskapazitäten effektiv zu nutzen.“

Es ist eine wirklich bemerkenswerte Einschätzung. Ich möchte an dieser Stelle mal an den Brandbrief von Tennet erinnern, in dem der Konzern davor warnte, nicht genug Cash zu haben, um die Energiewende plus Netzausbau in Deutschland zu stemmen. Der Brandbrief von damals sei falsch verstanden worden, argumentierte heute Mittag eine Tennet-Sprecherin.

Vielleicht ist es auch so: Tennet macht zu Recht auf ein Problem aufmerksam: Planungen der Projektierer und von Tennet sind offenbar als Gesamtbild nicht genügend aufeinander abgestimmt. Da gibt´s Redebedarf, auf jeden Fall.

Aber vielleicht ist es auch nicht ganz koscher von Seiten Tennets, davon auszugehen, dass die eigenen Planungen allesamt realisiert werden und dass die anderen nicht mitziehen werden. Sicher, ganz aktuell hat Tennet recht. Von den elf geplanten Stromplattformen sind gerade einmal zwei in Betrieb: Draußen auf See ist der Pilot-Windpark Alpha Ventus komplett abgeschlossen und fertig. Und dann gibt es auch noch die Plattform BorWin1. Die könnte theoretisch 400 Megawatt Ökostrom weitertransportieren. Bislang aber sind im dazugehörigen Windpark Bard Offshore 1 nur die Hälfte der benötigten Windräder installiert worden, erst 200 Megawatt Produktionskapazität sei angeschlossen, so Tennet.

Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass es bei Tennet künftig optimal laufen wird und dass die Windparkbetreiber hinterherhinken, finde ich fatal. Es ist ein Schwarzer-Peter-Spiel, das die Energiewende auf See gerade wirklich nicht braucht.