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Warum Biobauern aufgeben

 

Vielleicht kennen Sie das: Man kommt aus dem Urlaub zurück, der Kühlschrank ist leer und es ist prinzipiell Sonntag. Erst am Wochenende trieb mich diese Notlage in einen Lidl – und ich war einmal mehr baff, wie groß doch das Bioangebot der Billigbilligbilliger ist. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft bestätigt den Eindruck: Allein in den vergangenen vier Jahren hat das Handelsvolumen mit Bioprodukten um 21 Prozent zugelegt, so der BÖLW. Der Sieben-Milliarden-Euro-Markt in Deutschland wächst stetig, immer mehr Verbraucher wollen Bio.

Das Verrückte ist nur: Das Angebot kommt nicht hinterher. Zahlreiche Biobauern in Deutschland geben ihre Betriebe auf. Warum viele nicht durchhalten, hat das Von-Thünen-Institut, das Forschungsinstitut des Landwirtschaftsministeriums, erstmals umfassend untersucht. Mehr als 600 Biobauern geben demnach jährlich auf, das sind fünf Prozent der Biobauern. Die Autoren sprechen von einer „nicht unerheblichen Zahl“ von Betrieben, die aus der Ökoproduktion aussteigen. Der Großteil von ihnen baut wieder klassisch an (3,4 Prozent), darf also wieder Pestizide einsetzen und genverändertes Futter in den Trog schütten. Manche geben den Betrieb ganz auf. Das hat zur Folge, dass im vergangenen Jahr die Ackerfläche, die ökologisch bewirtschaftet wird, nur um 1,8 Prozent zunahm – ein Rekordtief.

Auf mehr als 300 Seiten analysieren die Wissenschaftler ausführlich, warum die Biobauern einknicken. Es ist immer ein Mix aus Gründen: fehlende Wirtschaftlichkeit; strenge Vorgaben der Ökorichtlinie, die gerade für kleine Betriebe nicht erfüllbar sind; manchmal ist es auch einfach pure Desillusion. Oder Frustration darüber, dass man ein Einzelkämpfer ist. Dass die Direktvermarktung nicht klappt oder Bundesländer – wie etwa Brandenburg – Umstellungsprämien für neue Biobauern einfach aussetzen.

Spannend daran ist, dass die finanziellen Spritzen des Staates, also etwa die Umstellungsprämien der Bundesländer und ihre Planbarkeit, für Biobauern weniger wichtig sind als die Marktpreise, die sich am Ende für Bioprodukte erzielen lassen. Der Vorwurf, dass nur Förderprämien die wirtschaftliche Grundlage für Biobauern sind, läuft also ins Leere.

Die Studie stellt die Politik vor ein Problem. Denn Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, dass mindestens 20 Prozent der deutschen Äcker ökologisch bewirtschaftet werden. Aktuell sind es laut BÖLW gerade einmal 6,2 Prozent. Zwar nimmt netto die Zahl der Biobetriebe immer noch zu. Aber was ist sinnvoller, als zumindest die Biobauern, die man schon an Bord hat, auch dort zu behalten und so das Ziel einfacher zu erreichen?

Hiltrud Nieberg, Mitautorin der Studie, sieht sowohl die Politik also auch die Biobauern in der Pflicht. Sie empfiehlt, dass Biobetriebe am Anfang einen regelmäßigen Betriebscheck durchlaufen müssen. „Wenn die Politik die Ökolandwirtschaft unterstützen will, dann muss sie selbst nicht nur verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen gewährleisten, sondern darf auch von den Biobetrieben verlangen, sich zu den Voraussetzungen, Chancen und Risiken der Umstellung beraten zu lassen.“ Das gelte vor allem in den ersten Jahren nach der Umstellung.