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Her mit einer Steuer auf Öl

 

Was für ein Preisverfall: Seit Juni 2014 ist der Preis für ein Barrel Öl um 60 Prozent eingebrochen. In Deutschland, aber noch viel mehr in den USA freuen sich Autofahrer über billigen Sprit. Windfall profits nennen Ökonomen diesen unverhofften Geldsegen. Er gleicht einem Konjunkturprogramm für Verbraucher, die sich über mehr Geld im Portemonnaie freuen können und für Unternehmen, deren Energiekosten sinken.

Aber natürlich hat ein niedriger Ölpreis auch negative Folgen. Nicht direkt für die Energiewende in Deutschland oder den Ausbau der erneuerbaren Energien: Die sind durch staatliche Förderungssysteme relativ stabil abgesichert, zumal mit Öl nur selten Strom produziert wird. Aber ein niedriger Preis verführt dazu, mehr Öl zu verbrauchen – und zwar von uns allen. Der heutige Ölpreis spiegelt aber nur einen Teil der Gesamtkosten wieder, die mit der Förderung und dem Verbrauch des Rohstoffs verbunden sind. Die Folgekosten der CO2-Emissionen auf das Klima und für die Umwelt enthält er beispielsweise nicht. Wir konsumieren also ein Gut, das eigentlich viel teurer sein müsste. Wer Öl verbraucht, der trägt zum Klimawandel bei. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, muss ein Großteil der vorhandenen Kohle-, Gas- und Ölvorräte in der Erde bleiben.

Ökonomen schlagen deshalb vor, den niedrigen Ölpreis für zwei Dinge zu nutzen:

1. Klimaschädigende Subventionen für Öl, Gas, Diesel, Benzin zu streichen. (Das schlagen sowohl Weltbank als auch Internationale Energieagentur vor, weil gerade ärmere Länder dadurch ihre Haushaltsspielräume erweitern könnten).

2. Eine CO2-Steuer einzuführen. „Der Zeitpunkt ist ideal, man hätte jetzt gute Chancen dafür“, sagt Didier Houssin, Direktor der Nachhaltigkeitspolitik der Internationalen Energieagentur. Eine CO2-Steuer würde gerade jetzt Verbraucher mit niedrigem Einkommen nicht zu sehr belasten, der Aufschrei würde sich also möglicherweise in Grenzen halten. Man könnte vielleicht sogar eine CO2-Steuer einführen und Verbraucher wären immer noch besser gestellt als noch vor einem halben Jahr. Glaubt man Lawrence Summers von der Harvard Universität, dann würde eine Steuer von 25 US-Dollar auf jede Tonne CO2 den Benzinpreis in den USA um nur 25 Cent erhöhen. In den vergangenen Monaten sei der Preis aber um mindestens einen Dollar gesunken. Auf der Einnahmenseite ständen rund eine Billion US-Dollar in den kommenden zehn Jahren – und weniger CO2-Emissionen.

Keine Frage: Klimaschutz kostet, irgendjemandem tut es immer weh. Deswegen finde ich den Vorschlag von Kemal Dervis, Direktor des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, ganz charmant. Warum nicht eine CO2-Steuer einführen – aber zugleich dafür sorgen, dass sie bei steigenden Ölpreisen nicht über das Ziel hinausschießt. Dervis schreibt:

Eine Option wäre, eine an den Ölpreis gekoppelte flexible Preisgestaltung einzuführen. So könnte für die CO2-Steuer für jeden Rückgang um 5 Dollar pro Barrel um einen festgesetzten Betrag erhöht und für jeden Anstieg um 5 Dollar dann um beispielsweise zwei Drittel dieses Betrags gesenkt werden.

Das Problem ist nur: Jedes Land, das eine solche Steuer zuerst einführt, verliert im internationalen Wettbewerb, weil sich die dort produzierten Waren verteuern. Laurence Summers glaubt jedoch, dass die USA die Steuer problemlos einführen können und dass die Welthandelsorganisation sogar eine CO2-Steuer auf Importwaren durchwinken würde. Es ist aber klar: Nur wenn alle Länder sich gleichzeitig auf die Einführung der CO2-Besteuerung einigen, wird es klappen. Nach Angaben der Weltbank haben knapp 40 Länder bereits eine CO2-Steuer eingeführt (Australien hat sie bereits wieder abgeschafft, wir in Europa haben den Emissionshandel). Die Verhandlungen um einen Nachfolger des Kyoto-Protokolls aber zeigen, wie schwer und zäh Klimaschutz ist. Dass der niedrige Ölpreis gerade die Diskussion um die Besteuerung fossiler Energieträger anheizt, lässt sich leider nicht erkennen.

Wahrscheinlich ist es sogar genau andersherum: Erst ein höherer Ölpreis führt dazu, dass sich Unternehmen und Regierungen auf die Suche nach kostengünstigeren und klimaschonenden Alternativen machen.