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Warum Deutschland keine Panzer an die Saudis verkaufen sollte

 

Mein Leitartikel aus der ZEIT von morgen:

Deutschlands Botschaft an den arabischen Aufstand ist 10,97 Meter lang, wiegt 67,5 Tonnen und hat 1500 PS. Die Bundesregierung hat die Ausfuhr von bis zu 200 Panzern des Typs Leopard an das saudische Königshaus genehmigt. »Leos« für Riad? Ausgerechnet jetzt?
Was wohl die fünf Frauen von dem Geschäft halten, die am Mittwoch vergangener Woche in der saudischen Hafenstadt Dschidda festgesetzt wurden? Ihr Vergehen: Sie hatten das Fahrverbot für Frauen missachtet. Am Sonntag erwischte es dann in der Hauptstadt Riad 20 Demonstranten. Sie hatten die Freilassung politischer Gefangener verlangt.
Was diese Menschen über den Panzer-Deal denken, wird man nicht erfahren: Wer im Golf-Königreich für Menschenrechte und gegen die Apartheid der Geschlechter kämpft, landet im Knast – schneller denn je übrigens, seit die Demokratiebewegung an den arabischen Thronen sägt. Aber nicht mehr alle in der Region sind so leicht mundtot zu machen.
In Blogs, auf Twitter und Face­book ist die Panzer-Botschaft so angekommen: Deutschland glaubt nicht an uns. Die Deutschen haben den Arabischen Frühling abgehakt. Es ist unvergessen, dass Deutschland sich im März weigerte, dem libyschen Diktator in den Arm zu fallen. Und jetzt Kampfpanzer für den geschworenen Gegner jeder Demokratisierung in der Region? Die Saudis haben dem tunesischen Tyrannen Ben Ali eine Heimstatt gegeben, sie standen bis zuletzt an Mubaraks Seite. Deutsche Waffen für die Herrschenden in Riad, das bedeutet, in Abwandlung eines deutschen Dichterworts: Krieg den Hütten, Friede den Palästen.

Nach dem Debakel der Libyen-Entscheidung hatten Merkel und Westerwelle betont, man fiebere mit den Rebellierenden und wünsche den Sieg der Demokratie. Den Saudis den besten Panzer zu verkaufen, den es auf dem Weltmarkt gibt, ist damit schwer zu vereinbaren. Mit Panzern wie dem »Leo«, heißt es in Berlin, könne man nicht gegen Demonstranten vorgehen, darum sei die Lieferung unproblematisch.
Sicher? Der Leopard in seiner neuesten Va­rian­te 2A7+ ist speziell für »asymmetrische Situationen« ausgerüstet. Weil die Zeit der Panzerschlachten zwischen Nationen vorbei ist, hat man den »Leo« für die Aufstandsbekämpfung umgebaut – mit Räumschaufeln und »nicht letalen Waffen«. Ein Bundeswehrvideo rühmt, dass schon »seine Präsenz lähmt und abschreckt«.
Die Saudis ließen Anfang März ihre Panzer nach Bahrain rollen, um dort der De­mo­kra­tie­bewe­gung den Garaus zu machen. Werden wir demnächst auf al-Dschasira das Spitzenprodukt der deutschen Rüstungsindustrie in Aktion sehen? 44 Exemplare sind bereits ausgeliefert.
Der Panzer-Deal ist ein Bruch mit den Prinzipien der deutschen Außenpolitik. In den »politischen Grundsätzen« der Bundesregierung für Waffenexporte wird der »Beachtung der Menschenrechte« im Bestimmungsland »besonderes Gewicht beigemessen«. Und im »Gemeinsamen Standpunkt« der EU verpflichtet sich Deutschland, »mit Entschlossenheit zu verhindern, dass Militärgüter ausgeführt werden, die zu interner Repression« eingesetzt werden können.
Dreißig Jahre lang hat Deutschland dem Drängen des Golfstaats nach dem »Leo« widerstanden. Zu Zeiten der Kanzlerschaft Helmut Schmidts wäre es fast zur Lieferung gekommen. Damals ging es um den Schutz der saudischen Ölquellen, während die Russen in den Irak und nach Afghanistan vordrangen. Weil die Saudis Feinde Israels waren, kam es nie dazu. Auch Helmut Kohl sagte Nein.
Warum gibt die deutsche Regierung die Zurückhaltung auf? Denkbar ist nur ein möglicher, geopolitischer Grund: Irans Aufstieg und seine Atomrüstung. Tatsächlich erhebt Israel angesichts dieses gemeinsamen Feindes jenseits des Golfs keine Einwände. Wer die Saudis aufrüstet, so die Logik, verhindert die Verschiebung des regio­na­len Gleichgewichts zugunsten der aufstrebenden Großmacht Iran.
Darum die deutschen Panzer? Als George W. Bush vor vier Jahren mit der gleichen Begründung Raketensysteme für 20 Milliarden Dollar an Riad lieferte, fielen Berliner Politiker von CDU und FDP über diese »primitive Form der Realpolitik« her. Merkwürdig, dass nun die schwarz-gelbe Regierung, die sich Abrüstung auf die Fahne geschrieben hat, der Bush-Doktrin folgt.
Für die deutsche Rüstungsindustrie ist das saudische Geschäft eine willkommene Gelegenheit, den Nachfragerückgang wegen der Bundeswehrreform und der Sparprogramme auszugleichen. Bisher galt, Beschäftigungspolitik dürfe nicht den Ausschlag für Rüstungsexporte geben. Gilt das noch? Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur weltweit, gleich nach Amerika und Russland. Der »Kultur der militärischen Zurückhaltung« (Westerwelle) spricht das Hohn.
Niemand weiß, ob der Arabische Frühling Erfolg haben wird. Das Scheitern der alten westlichen Stabilitätspolitik in der Region aber ist nicht zu übersehen. Die schlimmsten Kriege der vergangenen drei Jahrzehnte resultierten aus der Hybris der Gleichgewichtspolitik: die Feinde unserer Feinde aufzurüsten – Saddam gegen die Ajatollahs in Iran, die Taliban gegen die Russen. Am Ende führte der Westen stets gegen die Freunde von gestern Krieg. Das ist die Lektion unseres Scheiterns: Wer ein Land als Waffe betrachtet, muss darauf gefasst sein, dass sie sich dereinst gegen ihn selbst richtet.