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Amerika braucht eine neue Politik im Mittleren Osten

Auf Andrew Bacevich bin ich 2008 aufmerksam geworden, als ich für einige Monate in Boston lebte. Der Wahlkampf McCain gegen Obama nahm Fahrt auf, die Immobilienkrise stürzte die USA in große Selbstzweifel, die Kriege im Mittleren Osten entwickelten sich zu einem einzigen, riesigen Treibsand.

Bacevich, damals Professor an der Bostin University, ist eine einmalige Erscheinung in der amerikanischen Debatte. Ex-Marine, West-Point-Absolvent, Konservativer (geprägt vom „christlichen Realisten“ Reinhold Niebuhr) – und dabei der schärfste und scharfsinnigste Kritiker der amerikanischen Außenpolitik. Sein Buch über die „Grenzen der amerikanischen Macht“ aus dem Jahr 2008 liest sich heute geradezu prophetisch. Ich sprach mit Bacevich Ende Dezember im Rahmen einer Recherche. Hier folgt das Interview in ganzer Länge.

ZEIT: Professor Bacevich, Sie haben in einem Buch die „Grenzen der amerikanischen Macht“ beschrieben. Es erschien schon vor acht Jahren, heute liest es sich prophetisch, denn diese Grenzen werden dieser Tage überall evident: im Umgang mit Russland und China, im Syrienkonflikt, in der Chaotisierung des Mittleren Ostens.

Andrew Bacevich: Drei Argumente dafür, dass wir heute eine Krise der amerikanischen Macht erleben, gelten heute sogar mehr noch als damals. Erstens gibt es eine Krise durch Verschwendung. Amerika lebt seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse. Das wirkt sich kulturell, ökonomisch und geopolitisch aus. Der Kern ist ein falsches, konsumistisches Verständnis von Freiheit, das Amerika abhängig gemacht hat von billigem Öl und billigem Geld. Die zweite Krise ist politischer Art. Der Kongress ist dysfunktional geworden durch die politische Spaltung des Landes und durch den geradezu grotesken Einfluss der Sonderinteressen und Lobbies. Der Präsident hat im Zuge dessen immer weitgehendere Vollmachten erhalten und ist eine nahezu messianische Figur geworden, die unmöglich die auf sie gerichteten Erwartungen erfüllen kann. Wir haben eine „imperiale Präsidentschaft“. Die dritte Krise schließlich ist militärischen Charakters. Das amerikanische Militär ist zu einem Instrument geworden, mit dem wir überall unsere Interessen durchzusetzen versuchen und die Welt nach unserem Bilde formen. Die militärische Krise hängt mit den anderen beiden zusammen: Man erwartet von militärischer Macht Lösungen für Probleme, die aus den ersten beiden Krisen entstehen.

ZEIT: Barack Obama ist aber doch gerade für das Versprechen gewählt worden, die Kriege im Mittleren Osten zu beenden. Wie passt das zu ihrer Diagnose einer imperialen Präsidentschaft?

Bacevich: Ich glaube nicht, dass ihr Bild von Obama korrekt ist. Obama hat 2008 gewonnen, weil er zwischen dem ’notwendigen‘ Krieg in Afghanistan und dem ‚dummen‘ Krieg im Irak unterschied. Er war kein Antikriegskandidat, er war nur gegen den Irakkrieg. Jetzt, da wir das Ende seiner Amtszeit erreichen, muss man feststellen, dass er entgegen der allgemeinen Wahrnehmung den großen amerikanischen Krieg im Mittleren Osten ausgeweitet hat. Weiter„Amerika braucht eine neue Politik im Mittleren Osten“

 

Wohin Lau gehört

Wohin Sven Lau gehört

Schreck am Morgen bei der Zeitungslektüre.

Dann Erleichterung. Es wurde wirklich Zeit, dass man ihm das Handwerk legt, diesem merkwürdigen Namensvetter Sven Lau (nicht verwandt!). Er wurde am Dienstag wegen Terrorverdachts verhaftet. Weiter„Wohin Lau gehört“

 

Warum sich Israels Lage im postamerikanischen Nahen Osten verbessert hat

Am Dienstag hatte ich Gelegenheit, mit Generalmajor a.D. Amos Yadlin zu sprechen. Er leitet Israels bedeutendsten Thinktank INSS. Yadlin war Kampfpilot in der israelischen Luftwaffe. Er gehörte zu dem Team, das 1981 den irakischen Atomreaktor Osirak zerstörte. Später diente Yadlin unter anderem als Chef des Militärgeheimdienstes. Im letzten Wahlkampf trat er als Schatten-Verteidigungsminister im (unterlegenen) Lager des Labour-Kandidaten Isaac Herzog an.

DIE ZEIT: General Yadlin, es tobt seit Jahren Bürgerkrieg in Syrien, nun zunehmend unter globaler Beteiligung, es gibt eine russische Intervention, türkisch-russische Spannungen, und der Islamische Staat macht sich in zwei zerfallenen Staaten ihrer Nachbarschaft breit. Erleben wir heute in Israels Region die ersten Momente eines postamerikanischen Nahen Ostens? Weiter„Warum sich Israels Lage im postamerikanischen Nahen Osten verbessert hat“

 

Er ist wieder da

Na gut. 5.000+ Kommentare unter einem nahezu zwei Jahre alten Blogpost, das gibt mir denn doch zu denken. Irgendwie geht es hier immer noch weiter, auch in meiner Abwesenheit. Selbst nachdem das Blog von den ZEIT Online-Kollegen längst schon wegen Inaktivität von der Website genommen wurde. Es gibt offenbar Redebedarf unter den Verbliebenen. Ich habe ihn eigentlich auch.

Ich will versuchen, die Aktivität hier wieder aufzunehmen, wenn auch sicher nicht in der Frequenz, die mir früher mal möglich war, bevor ich mich der Koordination unserer außenpolitischen Berichterstattung verschrieb. Ich habe gewusst, dass der Job hart werden würde, aber mit einer solchen Ballung von Krisen, die sich wechselseitig verstärken, war nicht zu rechnen. Weiter„Er ist wieder da“

 

Eine Jugend im Modell Deutschland

Mein Beitrag zur Titelgeschichte der ZEIT („Mitte des Lebens“) vom 26.2.2014:

Nie wieder kamen in Deutschland so viele Kinder zur Welt wie in dem Jahr, in dem ich geboren wurde. Ich gesellte mich erst im Dezember dazu, einen Tag vor Ilse Aigner und drei vor Johannes B. Kerner. Da waren wir schon über 1,3 Millionen, wir Vierundsechziger. Jeden Monat kam eine Stadt wie Göttingen dazu, das ist mehr als doppelt so viel wie heute.

Wir waren durch schiere Masse eine Zumutung für Schulen, Vereine, Universitäten. Schon zittern die sozialen Sicherungssysteme vor dem Ansturm unserer Kohorte. So war es immer: Wir mussten uns durchsetzen, auch gegeneinander. Im Rückblick scheint mir, das ist uns gar nicht schlecht bekommen.

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Wie Israel seine chaotische Nachbarschaft sieht

Nun ja, in Israel haben bekanntlich zwei Leute drei Meinungen zum gleichen Sachverhalt. Insofern ist das Folgende natürlich nicht repräsentativ für die gesamte Öffentlichkeit, oder auch nur für ein politisches Lager. Es ist ein Kondensat aus Gesprächen, die ich in der letzten Zeit mit einflussreichen Menschen – eher aus dem mittleren rechten Spektrum – geführt habe, die sich nicht wörtlich zitieren lassen wollen. Das hat den Vorteil, dass sie – so geschützt – sagen, was sie wirklich denken. Ich gebe sie hier in meinen eigenen Worten wider. Diese israelische Position kommt in unserem hiesigen Diskurs kaum mehr vor, weil sie in fast allen Belangen quer zu den Annahmen und Einschätzungen der deutschen Eliten steht. Das scheint mir Anlass genug, sie hier wertungsfrei zur Debatte zu stellen.

Rund um uns herum brechen die künstlichen Nationalstaaten zusammen, sagt der israelische Politiker, und was übrig bleibt, sind Stämme, Ethnien und Religionsgruppen. Wir sind umgeben von Konflikten, die sich an diesen Linien entzünden. Einzig die verbliebenen Monarchien können dem Zerfall widerstehen – Jordanien, die Golf-Königreiche, im Westen Marokko. Sie haben einen Rest von Legtitimität bewahrt. Aber für wie lange reicht das? Niemand weiß es in Wahrheit.

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Bundeswehr: Probleme an der Sinnfront

Mein Leitartikel aus der ZEIT vom vergangenen Donnerstag, 16. Januar 2014:

Deutsche Soldaten haben eine Menge auszuhalten, und das nicht nur in Kampfeinsätzen: An der Heimatfront verunsichern der Umbau zur Berufsarmee, eine Drohnenaffäre und vier Verteidigungsminister in fünf Jahren die Truppe.

Sie wird zudem seit Langem mit doppeldeutigen Botschaften traktiert: Es ist Krieg, da müsst ihr kämpfen und tapfer sein, und ja, auch töten und sterben! Was genau ihr auf dem Schlachtfeld tut und was das mit euch anstellt, wollen wir dann lieber nicht wissen. Oder auch: Professionalisiert euch, werdet eine Berufs- und Einsatzarmee – wenn wir diese auch künftig nicht mehr losschicken wollen, weil das politisch kaum noch durchsetzbar ist. Helden seid ihr, aber bitte kommt nicht in die Schulen, um den Kindern vom Krieg zu erzählen!

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„Wertegebundene Außenpolitik ist abwegig“ (Helmut Schmidt)

Zunächst mal: Ich vermisse das hier.

Das Bloggen war jahrelang ein gutes Mittel, den Phantomschmerz des Tageszeitungsredakteurs zu betäuben, den es in ein Wochenmedium verschlagen hatte. Zunächst musste ich es fast ein bisschen undercover betreiben, weil es in unserem Hause als Ablenkung von der eigentlichen Arbeit galt (was ja auch sein kann). Inzwischen hat sich die Haltung des Hauses zum Digitalen deutlich verändert. Chefredakteure twittern und erfreuen sich ihrer Follower. ZEIT Online ist ein respektierter eigener Zweig der Publikation, Print-Redakteure machen sogar Hospitanzen bei den Onlinern und kommen beeindruckt von deren Professionalität und Arbeitsrythmus zurück, dessen Schlagzahl für Angehörige des Dead-Tree-Zweigs unseres Hauses furchterregend ist.

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In eigener Sache

Liebe Mitblogger und treue Kommentatoren!

Ich muss mich vielmals für die lange Abwesenheit entschuldigen! Ich bin in der letzten Zeit – durch die Bundestagswahl und die Vorbereitung auf neue Aufgaben – einfach nicht zum Bloggen gekommen, obwohl ich es mehrfach vorhatte. Themen gäbe es weiß Gott  genug. Weiter„In eigener Sache“

 

Putins Kalter Krieg um Syrien

Während die Zerstörer im Mittelmeer schon auf Syrien ausgerichtet werden und der Kongress in Washington sich noch auf ein Votum über Krieg und Frieden vorbereitet, haben sich dieser Tage Präsidenten, Kanzler und Premierminister der 20 größten Industrienationen und Schwellenländer in St. Petersburg getroffen. Über Korruption und Finanzregeln wollte man eigentlich reden, doch in Wahrheit gab es diesmal nur ein Thema: Syrien.

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