Es ist so weit: Wir biegen ein auf die Zielgerade der Weihnachtszeit. In wenigen Tagen ist Heiligabend. Auf dem Weg sind wir bereits so manchem Brauch begegnet, andere stehen noch aus: Adventskranz, Wichteln und Weihnachtsbaum beispielsweise. Alle drei – wer hätte es in einem Mathe-Blog anders erwartet – eignen sich für mathematische Überlegungen.
1. Der Adventskranz
Wie sieht denn zum Beispiel Ihr Adventskranz gerade aus? Genauer gesagt meine ich die Kerzen darauf. Wahrscheinlich haben sie eine unterschiedliche Länge, sind also ungleichmäßig abgebrannt. Bei uns ist es jedenfalls so. Auch nach dem 4. Advent.
Nehmen wir mal an, an jedem der vier Adventssonntage brennt jede angezündete Kerze gleich lang und brennt dabei eine Längeneinheit ab. Nach dem vierten Adventssonntag sind also insgesamt 1 + 2 + 3 + 4 = 10 Längeneinheiten abgebrannt. Da diese 10 Einheiten aber nicht durch die Anzahl der 4 Kerzen ganzzahlig geteilt werden kann, gibt es keine Strategie des Anzündens der Kerzen, die dazu führt, dass nach dem vierten Advent alle Kerzen wieder gleich lang sind.
Doch könnte es einen Weg geben, alle Kerzen gleich herunterbrennen zu lassen? Hier die dazu passende Knobelaufgabe: Ist das eine Besonderheit der Adventszeit mit 4 Adventssonntagen? Ginge es etwa, wenn die Adventszeit eine andere gerade Zahl von Sonntagen hätte, sagen wir 2n Sonntage, und am i-ten Sonntag können i-beliebige Kerzen angezündet werden? Gibt es dann eine Strategie des Anzündens, die am Ende zu gleich langen Kerzen führt? Wie sieht es bei einer ungeraden Zahl von Adventssonntagen aus, sagen wir bei 2n – 1 Sonntagen? Geht es dann?
2. Das Wichteln
Nun ein paar Worte zum Wichteln. Dabei werden Geschenke nach dem Zufallsprinzip verteilt. Jede von n Personen bringt ein Geschenk mit und bekommt ein Geschenk aus dem Pool der n Geschenke. Mathematiker nennen das eine Permutation. Unschön ist es natürlich, wenn jemand sein eigenes Geschenk bekommt. Mathematisch gesprochen ist das ein Fixpunkt. Aber muss die Wahrscheinlichkeit für einen Fixpunkt bei einer zufällig erzeugten Permutation nicht extrem gering sein, wenn n eine Zahl wie zum Beispiel 100 ist?
Probieren wir es einmal aus: Schreiben wir E(k) für das Ereignis, dass bei einer rein zufällig ausgewählten Permutation an der Stelle k ein Fixpunkt ist, also das k-te Geschenk nach dem Durchmischen wieder an die k-te Person geht. Dann ist die Wahrscheinlichkeit dieser Ereignisse E(k) für alle k gleich 1/n , weil es für jedes Geschenk genau n Möglichkeiten der Zuordnung gibt.
Einer Permutation ganz ohne Fixpunkte entspricht dann der Situation, dass keines der Ereignisse E(1) , E(2) , …, E(n) eintritt, also immer von jedem das Gegenteil. Für jedes der Ereignisse hat das Gegenteil die Wahrscheinlichkeit 1-1/n . Wenn n groß ist, dann sind die Ereignisse E(1) , E(2) , …, E(n) annähernd unabhängig. Warum nur annähernd?
Wenn zum Beispiel das Ereignis E(1) eintritt, bedeutet es unter anderem, dass das erste Geschenk beim permutieren nicht an die zweite Person geht. Das aber macht es ein klein wenig wahrscheinlicher, dass das zweite Geschenk an die zweite Person geht, also Ereignis E(2) eintritt. Diese kleinen Beeinflussungen zerstören die vollständige Unabhängigkeit. Aber nur ein bisschen.
Es gibt also eine Abhängigkeit zwischen diesen Ereignissen, die allerdings verschwindend klein ist, wenn die Zahl der Geschenke groß ist. Rechnet man jetzt mit vollständiger Unabhängigkeit, statt nur annähernder weiter, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zufällig ausgewählte Permutation keinen Fixpunkt hat gleich der Wahrscheinlichkeit, dass keines der n Ereignisse E(1) , E(2) , …, E(n) eingetreten ist. Das ist (1- 1/n) hoch n.
Für große n nähert sich diese Wahrscheinlichkeit immer mehr der Zahl 0,368 an. Das ist der Kehrwert der Eulerschen Zahl 2,718. Und das ist nahezu unabhängig von der Zahl der mitwichtelnden Personen. Selbst für n = 5 ergibt sich schon etwa dieser Wert und für große n noch genauer.
Permutationen mit Fixpunkt treten also in der Mehrheit der Fälle auf, fast mit Wahrscheinlichkeit 2/3. Überraschend, oder?
3. Der Weihnachtsbaum
Weihnachtsbäume werden schon im frühen 16. Jahrhundert in Schriften erwähnt. Von Deutschland aus verbreitete sich dieser Brauch ab dem 19. Jahrhundert um die Welt. Schon sehr lange werden Weihnachtsbäume geschmückt. Goethe etwa schreibt in Die Leiden des jungen Werthers 1774 von einem „aufgeputzen“ Weihnachtsbaum mit Wachslichtern, Backwerk und Äpfeln.
Auch hier soll der Weihnachtsbaum mit einem Rätsel gewürdigt werden. Angenommen, Sie schmücken Ihren Baum so, dass ganz oben an der Spitze 1 Kugel hängt. In die Reihe darunter hängen Sie 3 Kugeln, in die dritte Reihe 5 Kugeln und so weiter, immer in die nächste Reihe zwei Kugeln mehr. Wie viele Kugeln brauchen Sie dann, wenn Sie n Reihen mit Kugeln an Ihrem Baum haben?
Und als Zugabe für Fortgeschrittene: Wie ist es, wenn in die k-te Reihe k hoch 3 Kugeln gehängt werden? Wie viele Kugeln brauchen Sie dann bis einschließlich zur n-ten Reihe mit ihren n hoch 3 Kugeln?