Bart van Leeuwen ist seit fünfzehn Jahren Feuerwehrmann in den Niederlanden. Aber er ist auch Programmierer und beschäftigt sich seit Jahren mit Open-Source-Software und mit dem semantischen Web. In Interview spricht van Leeuwen über den Nutzen von Open Data für Rettungskräfte und das Informationssystem „RESC.info„. Das entwickelt er für die Feuerwehr zusammen mit der Gruppe netlabs.org. Obwohl die Leitung der Amsterdamer Feuerwehr kein Interesse zeigt, setzen mittlerweile acht Feuerwehrstationen die Software ein.
Herr van Leeuwen, wie kamen Sie dazu, eine Kartenanwendung für die Amsterdamer Feuerwehr zu entwickeln?
Bart van Leeuwen: Auf der Fahrt zu einem Einsatzort geht es in den wenigen Minuten oft hektisch hinzu. Wir müssen im Fahrzeug mit Funkgeräten, Handys und dem Navigationsgerät hantieren. Aber während über unseren Köpfen die Sirene mit hundertzwanzig Dezibel kreischt, sind beispielsweise die Richtungsanweisungen vom Navi nicht zu hören. Und wir brauchen bereits bevor wie losfahren exakte Angaben über den Ort, zu dem wir müssen.
Einer meiner Kollegen wusste, dass ich programmiere. Er fragte mich vor etwa zwei Jahren, ob ich nicht eine Lösung hätte.
Wie sind sie das Problem dann angegangen?
van Leeuwen: Selbstverständlich habe ich erst einmal versucht, den offiziellen Weg zu gehen und teilte den entsprechenden Stellen mit: Wir brauchen etwas anderes. Nichts passierte. Und so begann ich, die Kartensoftware zu schreiben.
Was macht diese Anwendung?
van Leeuwen: Wir nutzen als Kartenmaterial das freie OpenStreetMap. Die Einsatzinformationen kommen von unserer Leitstelle. Das sind digitale Textnachrichten, die fast immer gleich aufgebaut sind. Die Software zerlegt sie in Einzelteile – in Ort, Zeit, Art des Vorfalls und so weiter. Diese Daten werden ins Netz hochgeladen, interpretiert und an Monitore in der Feuerwehrstation gesendet.
Wenn der Alarm losgeht, und ich in die Halle komme, in der die Fahrzeuge stehen, sehe ich auf einem großen Bildschirm eine Karte. Auf der wurde automatisch bereits der Einsatzort eingetragen. Auch kann ich lesen, um was für ein Vorfall es sich handelt .
Wird die Karte weiterentwickelt?
van Leeuwen: Bald hieß es, wir würden gerne mehr Informationen sehen. Zum Beispiel, wo sich gerade Baustellen befinden. Das ist wichtig. Deswegen habe ich mit dem Verkehrsamt von Amsterdam gesprochen und sie werden uns ihre aktuellen Baustelleninformationen in einem offenen Format zur Verfügung stellen.
Meine größte Sorge ist, dass einem meiner Kollegen oder mir etwas zustößt, nur weil uns Informationen fehlten, die eigentlich vorhanden waren. So gibt es bislang keine Möglichkeit, Wissen der Baubehörde über Mängel an einem Gebäude abzufragen. Oder Erkenntnisse der Feuerwehr selbst, zum Beispiel historische Brandursachen, die in einem Stadtteil typisch sind – wie etwa schlechte Gasleitungen. Lägen die Informationen strukturiert und maschinenlesbar vor, könnten wir sie auch in den Feuerwehrwagen bekommen
Interessiert sich mitterweile die Feuerwehrverwaltung für das Programm?
van Leeuwen: Nein, wir sind eine Guerilla-Bewegung jenseits offizieller Kanäle. Doch es kommt vor, dass einer meiner Kollegen zu einer anderen Station wechselt. Und mich dann fragt, ob ich das System nicht auch bei ihnen einrichten kann.
Wird es in Ihren Feuerwehrwagen bald nur noch ein Kommunikationsgerät statt vieler verschiedener geben?
van Leeuwen: Idealerweise ja. Einer interessanter Nebeneffekte unserer Kartenanwendung ist, dass die Fahrer sicherer fahren. Vorher mussten sie auf das Navigationsgerät hören und auf dessen Bildschirm schauen. Außerdem riefen ihnen noch Kollegen Anweisungen zu. Jetzt gehen sie zum Bildschirm in der Feuerwehrstationen bevor sie starten und verschaffen sich ein Bild der Lage.
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UPDATE (26.12.2010): Bart van Leeuvwen teilte mit, dass er seit kurzem zumindest inoffizielle Unterstützung seitens Personen der Feuerwehrführung erfährt. Das Interview wurde bereits vor einigen Wochen geführt.
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Hier findet sich ein zehnminütiges englischsprachiges Video mit einem Vortrag zu der Feuerwehr-Anwendung vom Open Government Data Camp in London im November 2010.