12.09.2009 – Demo gegen Vorratsdatenspeicherung (Route: orange, Tel.: rot, SMS: gelb)
und Malte Spitz‘ Telefongespräche, Kurznachrichten und Tweets an diesem Tag
Der Überwachungsstaat ist kein Hirngespinst: Studierende und Globaliseriungskritiker werden hierzulande durch Polizeispitzel unterwandert; im Land, das derzeit den Ratsvorsitz der EU innehat, ist ein totalitäres Mediengesetz in Kraft getreten.
Vor diesem Hintergrund lohnt es, über das Überwachunspotential der Vorratsdatenspeicherung nachzudenken. Die Vorratsdaten des Grünenpolitikers Malte Spitz, die wir in einer interaktiven Anwendung veröffentlicht haben, können dazu Beispiel sein.
Die Karte oben verzeichnet alle Telefonate und SMS (empfangene und gesendete) von Malte Spitz am 12. September 2009. An diesem Tag zog durch die Mitte Berlins die Demonstration „Freiheit statt Angst“ die sich gegen den „Überwachungswahn“ wendete. Die Demoroute ist in in orange eingezeichnet.
Im Herbst 2009, rund um die Bundestagswahl, schlug die Diskussion rund um die Vorratsdatenspeicherung hohe Wellen. Spitz war als netzpolitischer Aktivist und Parteipolitiker aktiv an der Vorbereitung der Demonstration beteiligt. Aber auch ohne dies zu wissen und in Unkenntnis seiner Twitternachrichten von dem Tag: Auf der Karte oben ist klar zu erkennen, dass der Inhaber des Mobiltelefons sich zum Zeitpunkt der Demonstration in deren unmittelbarer Nähe befunden hat.
Zwar ist in den Vorratsdaten nur der Standpunkt des Funkmastes eingezeichnet. Aber mit Hilfe des Funkmastenatlas der Bundesnetzagentur lässt sich gut nachvollziehen, warum er ständig mit einer Antenne südlich vom Potsamer Platz verbunden ist: Sie kann ungehindert durch Häuser nach Norden hin die Stresemannstraße entlang auf den Potsdamer Platz „schauen“.
Ein Blick in den kompletten Vorratsdatensatz (Google Doc), der auch die Internetdaten (GPRS) enthält, zeigt ab Zeile 2647 deutlich: Malte Spitz hielt sich im Bereich des Sendemasten mit der „Cell-ID“: 13356 von 12.02 bis 15.54 Uhr nahezu durchgehend auf.
An diesem Beispiel wird klar, was an Vorratsdaten, egal ob sie zwei Wochen oder ein halbes Jahr vorgehalten werden, brisant ist: Die Funktürme dienen als Wachtürme, die automatisch Logbücher führen. Und das Handy ist ein Spitzel in der Hosentasche. In diesem Fall hätte es nicht nur verraten, dass Spitz Teil der Demo war. Seine Verbindungsdaten hätten auch problemlos dazu getaugt, die gesamte Struktur derjenigen aufzuklären, die die Demo veranstaltet hatten.
Es sind sicherlich zahllose Beispiele denkbar, wie sich aus diesen Informationen Probleme für die Betreffenden ergeben können, wenn Sicherheitsbehörden mit solchen Datensätzen schalten und walten könnten. Man denke nur an die Stichworte: Heiligendamm, Wendland, Castortransporte, Stuttgart 21 – schnell wird bei solchen Gelegenheiten auf das „Gewaltpotenzial“ hingewiesen und die Notwendigkeit der „Gefahrenabwehr“ betont. Das kann im Zweifel genügen, um einen Richter zu überzeugen, Zugriff auf Vorratsdaten zu gestatten.
Dazu sei auch auf den lesenwerten Beitrag von Frank Rieger in der FAZ verwiesen: „Datenspeicherung als Dienstpistole„.