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„Verkehrsunternehmen sollten Fahrplandaten öffnen“

 

Stefan Wehrmeyer über Nahverkehrsdaten,
Berliner Gazette (Creative Commons | sa | by | nc)

Stefan Wehrmeyer studiert in Potsdam am Institut für Softwaresystemtechnik. Sein Projekt Mapnificent stellt Fahrpläne zahlreicher Städte weltweit dynamisch auf einer Karte dar; vor kurzem appellierte er an die Berliner und Brandenburger Nahverkehrsbetriebe, ihre Fahrplandaten zu öffnen. In der Simulation TransitPulse gibt Wehrmeyer einen Ausblick darauf, was mit solchen Informationen möglich wäre.

Herr Wehrmeyer, Sie versuchen seit einiger Zeit, Verkehrsunternehmen zu bewegen, ihre Fahrpläne über offene Schnittstellen anzubieten. Wie ist die Resonanz?

Stefan Wehrmeyer: Die Resonanz derjenigen, die am Nahverkehr interessiert sind, war sehr positiv. Die Forderung nach offenen Fahrplandaten leuchtet den meisten ein. Nur die Verkehrsunternehmen selbst reagieren eher reserviert.

Speziell in Berlin scheint es Probleme zu geben. Worum geht es dabei?

Wehrmeyer: Der Verkehrsbund Berlin Brandenburg (VBB) reagierte auf den Appell mit Unverständnis: die Daten seien doch da, man müsse nur fragen. Allerdings gab es keinen Bereich auf der Website der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) oder des VBB, der überhaupt die Herausgabe von Daten an Entwickler erörtert. Der VBB hat nun eine Seite für Entwickler angelegt und das ist ein guter erster Schritt. Die dort veröffentlichten Bedingungen schränken aber leider die Nutzung sehr ein.

Was stört Sie an den Nutzungsbedingungen?

Wehrmeyer: Mich stört einiges. Zum Beispiel, dass die Daten nicht unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden. Auch die Verknüpfung mit anderen Daten, ein sogenanntes Mashup, muss explizit erlaubt werden. Die Erhebung statistischer Daten zur Qualität des Nahverkehrsangebots ist gleich ganz verboten. Außerdem ist in den Bedingungen die Rede von Geheimhaltung, von Wirtschaftsprüfung und von Prüfung von Sicherheitssystemen. Da hat es die Rechtsabteilung definitiv zu gut gemeint. Durch solche Bedingungen steigt die Hürde enorm, etwas mit den Daten zu erstellen. Auf Nachfrage beteuerte der VBB, alles nicht so strikt zu meinen, aber leider lesen sich die Nutzungsbedingungen wie ein Knebelvertrag.

Wie ist insgesamt ihr Eindruck? Können Verkehrsunternehmen mit dem Konzept Open Data etwas anfangen?

Wehrmeyer: Leider noch nicht. Der Anteil der Daten, die offen sind, steigt langsam. Aber bevor das Ganze tatsächlich „open“ wird, muss sich noch das Selbstverständnis der Nahverkehrsunternehmen in Bezug auf ihre Daten ändern.

Könnte die Politik helfen?

Wehrmeyer: Hoffentlich! Die Verträge der Städte sollten nicht nur ein funktionierendes Nahverkehrssystem, sondern auch offene Fahrplandaten und Schnittstellen zum Ziel haben. Nahverkehrsunternehmen erhalten immerhin viel Geld von den Städten. Laut der Berliner Zuwendungsdatenbank flossen 2009 über 100 Millionen Euro an die BVG, unter anderem für das „Auskunfts- und Informationssystem“.

Inwieweit benötigen Sie solche Fahrplandaten für Anwendungen wie Mapnificent? Das scheint ja für Berlin auch ohne Open Data zu funktonieren?

Wehrmeyer: Die Berliner Nahverkehrsdaten musste ich mir aufwändig und teilweise per Hand zusammensuchen. Mapnificent wird von der VBB toleriert, weil es als ein innovatives Studentenprojekt ohne kommerzielle Absichten gesehen wird. Wie die Lage aussieht, wenn ich anfange kommerzielle Dienstleistungen mit Mapnificent zu verbinden, ist unklar.

Viel einfacher wäre es, würden Berlin und andere Städte das maschinenlesbares Standardformat für Fahrplandaten verwenden: GTFS (Genereral Transit Feed Specification). Google nutzt es, um Nahverkehrsnavigation auf Google Maps anzubieten und die meisten großen Städte in den USA stellen GTFS-Daten bereit. Durch das Standardformat konnte ich mit einem Schlag meine Anwendung für eine Vielzahl von Städten anbieten.

Was wird in Zukunft mit offenen Verkehrsdaten möglich sein?

Wehrmeyer: Ich könnte mir beispielsweise eine komfortable, länderübergreifende Nahverkehrsnavigation für Touristen vorstellen. Aber die spannendste App ist immer die, an die man selbst nicht denkt.

Disclaimer: Stefan Wehrmeyer ist genau wie der Autor Mitglied des OpenData Network e.V.