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Bauernland in Holdinghand

 

Eigentlich war die Ackerkrume im Osten nie ein geeignetes Geschäftsfeld für die Geldanlagestrategien überkreativer Banker. Die großen Deals liefen in den Metropolen oder vielleicht noch in den eingestürzten Pferdeställen und Schuppen ehemaliger Kinderheime ab, die sich beim Abkratzen der Farbe als Gutshäuser entpuppten.

Wenn dann doch mal einer kam und einfach nur Grund und Boden wollte, dann tat er dies, weil er vorher in der Brigitte gelesen hatte, um wie viele Jahrzehnte man jünger werden kann, wenn man täglich ohne Sattel über die Wiesen bei Ragösen oder Müggen reitet. Dieses unverdorbene Wohlfühlvergnügen in der Ostprovinz war nicht nur „völlig ursprünglich“ sondern auch noch „unbeschreiblich günstig“. Kurz: An Grund und Boden gab es dort wenig finanzstarkes Interesse.

Nun aber ist die Scholle im Osten ernsthaft in Gefahr. Das Beitrittsgebiet wird als Investitionsfläche entdeckt. Aufgedeckt hat das Ganze jetzt die Märkische Allgemeine. Unter dem Aufreger-Titel „Ausverkauf märkischer Agrarflächen“ schickte die Redaktion ihre Aufreger-Story über die Dörfer.

In klarer Nachrichtensprache erfährt der Brandenburger im zweiten Satz: „Immer häufiger kaufen sich auswärtige Investoren in märkische Agrarbetriebe ein.“ Als hätte hier der SED-Chefideologe Kurt Hager höchstpersönlich getextet. Nach dem vorangegangenen eher emotionalen Leadsatz („Brandenburger Bauern schlagen Alarm“) sind damit auch gleich Täter und Opfer klar: die Auswärtigen gegen die Brandenburger.

Das Schlimme, das hier gerade passiert, ist in einer Kurzzusammenfassung folgendes: Holdings, also eher an der Geldanlage denn am Geschäftszweig interessierte Firmen, kaufen sich in Agrarbetriebe ein und profitieren dabei unter anderem von Investitions- und Bewirtschaftungssubventionen der EU. Die kommen damit aber nicht dem Erhalt der ländlichen Struktur zugute, sondern fließen dorthin ab, wo diese Holdings eingetragen sind. Die im Beitrag genannten Firmen sitzen im Westen, genauer: in Hamburg und Niedersachsen.

Das Ganze ist reichlich kompliziert, weil es gerade an einer Stelle passiert, wo sich in den letzten Jahren ohnehin eigene Gesetze entwickelt haben. Wo der einzelne Bauer schwach, die großen ehemaligen LPG (Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften) aber stark sind, wo die Bodenpreise günstig waren und wo die großen ehemaligen LPG diese Preise auch noch bestimmten, wo der einzelne Grundbesitzer sich diesem Diktat des örtlichen Monopolisten unterordnen musste und … und … Diese Markt-Unegalitäten rächen sich jetzt, denn die Böden werden immer wertvoller. Sie sind vielfältiger nutzbar – für die Landwirtschaft, für die Energiebranche und zur Erholung. Die Strukturen entstammen aber aus einer anderen Zeit.

Die Märkische Allgemeine hat hier zwar ein wichtiges Thema aufgegriffen, aber höchst ostzonal berichtet. Keine Agrargenossenschaft und kein Bürgermeister und kein Entwicklungsplaner kommt zu Wort: Bauernverband, ein Einzelbauer, Vertreter der Holdings und Landeslandwirtschaftsministerium werden befragt – die Guten, die Bösen und die hilflose Behörde.

Und das Artikelbild zeigt einen Bauern mit Schippe. Bei so viel Propaganda statt Beschreibung und Analyse ist der Osten selbst Schuld, wenn er diese Schippe dann auch noch abbekommt.