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Warum man jetzt auf die AfD achten muss

 

René Stadtkewitz, Bundesvorsitzender der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, hat in einem Brief an alle Mitglieder angekündigt, dass seine Truppe ihre sämtlichen Vorhaben auf Bundes- und Landesebene einstellen wird. Stattdessen wolle sich die Partei ausschließlich auf die Kommunalpolitik konzentrieren, Schwerpunkt Bayern. Auch an der Europawahl 2014 wird Die Freiheit nicht teilnehmen. Das Schreiben wurde im islamophoben Internetportal Politically Incorrect verbreitet; nach Auskunft der Geschäftsstelle der Partei ist es authentisch.

Stadtkewitz macht in dem Schreiben kein Geheimnis aus den Gründen für die Entscheidung: „Mit der Alternative für Deutschland hat es erstmals eine bürgerlich-liberale Partei geschafft, sich eine realistische Chance zu erarbeiten, bereits im kommenden Jahr in zahlreichen Parlamenten vertreten zu sein. Diese Chance gilt es nun nach Kräften zu unterstützen.“ Es müsse diejenige Partei die „optimalen Startbedingungen erhalten, die die größte Erfolgschance hat, Politik in unserem Sinne gestalten zu können“. Die Ziele der AfD, konstatiert Stadtkewitz weiter, „decken sich zu min. 90% mit unseren“.

Sind die AfD-Aktivisten die professionelleren Rechtspopulisten? Stadtkewitz‘ Schreiben dürfte die Debatte, wie rechts die AfD ist, weiter lebendig halten. AfD-Chef Bernd Lucke hat zwar im Wahlkampf immer wieder entsprechende Vorwürfe zu entkräften versucht. Aber Zweifel bleiben.

„Wir lieben die Vielfalt“

Für DIE ZEIT hat die Kollegin Caterina Lobenstein zum Beispiel im August einen AfD-Wahlkämpfer beobachtet, der erklärte: „Wir lieben die Vielfalt. Aber der Massenzuzug aus einem ganz fernen Kulturraum, der islamische, der archaische Kontext, der belastet uns.“ Und dem Spiegel sagte der Hamburger AfD-Sprecher Anfang September, es lasse sich nicht leugnen, dass „sich in mehreren Ländern systematisch rechte Gruppen formieren, die auf Inhalte und Image unserer Partei Einfluss nehmen wollen“. Schaut man sich darüber hinaus Social-Media-Profile von AfD-Mitgliedern und -Funktionären an, findet man rasch welche, die öffentlich gegen Moschee-Neubauten polemisieren oder die neu-rechte „Identitäre Bewegung“ gut finden.

Natürlich ist die AfD weder was das Programm, noch was das Personal angeht, durchgehend xenophob. Schon gar nicht in dem Maße wie Die Freiheit. Sie ist zudem bürgerlicher und intellektueller. Aber sagen wir es so: Es gibt durchaus Rechte, die gern bei der AfD mitmischen. Sie finden sich vermutlich eher an der Basis als in der Spitze, was aber nicht heißt, dass sie keinen Einfluss haben.

Und nun könnten es mehr werden. Denn das Lob aus Stadtkewitz‘ Munde hat in islamfeindlichen Kreisen Gewicht. Deshalb muss man sich jetzt – auch wenn sie den Einzug in den Bundestag verpasst hat – genau anschauen, wie es mit der AfD weitergeht.

Wählerpotenzial am rechten Rand

Auf Politically Incorrect, dem Zentralorgan der deutschen islamophoben Szene, löst die Erklärung ein gespaltenes Echo aus. Viele Diskutanten bekunden Stadtkewitz Respekt; man darf davon ausgehen, dass etliche von ihnen die AfD für wählbar halten. Andere sehen die AfD als zu nahe dem politischen Mainstream. In der Summe dürfte es also durchaus ein paar Wähler aus diesem Lager geben, die nun überlegen werden, bei der Europawahl statt bei Der Freiheit ihr Kreuz bei der AfD zu machen.

Es wird deshalb interessant sein zu beobachten, wie die AfD ihren Europa-Wahlkampf gestalten wird. Bei der Europawahl gilt keine Fünfprozenthürde, sondern eine von drei Prozent. Lucke & Co. dürfen also hoffen – auch weil der Euro ihr Leib-und-Magen-Thema ist –, ohne weitere Zuspitzung ins Europaparlament getragen zu werden. Aber was, wenn die Umfragewerte wieder sinken – und der eine oder andere Parteistratege das Wählerpotenzial am rechten Rand zu nutzen versucht? Euro-Skepsis und Islamophobie gehen in anderen westeuropäischen Rechtsparteien schließlich schon lange Hand in Hand.

Die AfD ist noch nicht fertig ausgeformt, ihr Profil noch nicht fixiert. Die kommenden Monate könnten dafür entscheidend sein.