„Ein Glaube zum Fürchten“, so lautet die Überschrift des aktuellen Focus-Titels. Es geht, Überraschung, um den Islam. In dem Text, der eigentlich ein Pamphlet ist, werden „acht unbequeme Wahrheiten“ über diese Religion versprochen. Leider offenbart die Lektüre auch eine Reihe unbequeme Wahrheiten über den Focus.
1. Der Focus sucht sich seine Belege bei Extremisten, die er als „Gelehrte“ verkauft.
„Wiederholt haben islamische Gelehrte darauf hingewiesen“, schreibt der Focus, „dass westliche Frauen mit ihrer Kleidung zur Vergewaltigung geradezu einlüden. 2007 erklärte der australische Imam Sheik Faiz Mohammed, dass westliche Mädchen ‚Huren und Schlampen‘ seien“.
Das Zitat ist korrekt. Aber der Focus unterlässt es, auch nur in einem Halbsatz darauf hinzuweisen, dass Faiz Mohammed ein Dschihadist ist, der unter anderem gefordert hat, Kinder für Selbstmordattentate zu begeistern. Was hat so ein Verrückter hier als Kronzeuge zu suchen? Das ist, als würde man den Ku-Klux-Klan heranziehen, um christlichen Rassismus anzuprangern.
Der Focus macht passend, was passend gemacht werden muss. Weil er keine besseren Kronzeugen finden kann?
2. Der Focus gießt Öl ins Feuer, selbst wenn es gar keines gibt.
Irgendein Osnabrücker Muslim hat den mittellustigen Komiker Dieter Nuhr angezeigt, weil er findet, dass Nuhr den Islam beleidigt habe. Mein Gottchen.
Aber was macht der Focus? Er illustriert diese Episode mit zwei Szenen im Comic-Style: Nuhr mit Heftpflaster vor dem Mund (Genau: Zensur! So weit sind wir schon gekommen!). Und eine wütende Demo von hasserfüllten, dichtgedrängten Salafisten, die ihre Fäuste schütteln und „Nuhr verklagen!“-Plakate hochhalten.
Tatsächlich gab es genau eine Kundgebung, an der in Osnabrück maximal 30 Menschen teilnahmen, und die friedlich blieb. Salafisten waren auch anwesend. Von Fäusteschütteln war aber nirgendwo etwas zu lesen oder zu sehen. Und dichtgedrängt standen die Männer auch nicht. Sie sahen eher etwas verloren aus. Ein Bild aus den Neuen Osnabrücker Zeitung kann man hier finden.
Die Realität interessiert den Focus anscheinend nicht. Er suggeriert lieber etwas herbei.
3. Der Focus liest keine Zeitung.
„Grüne und Sozialdemokraten finden es schlimm, dass Rechte oder Rechtsextreme gegen den militanten Islamismus mobil machen, aber sie blieben stumm, als die deutsche Salafistenszene demonstrierte, rekrutierte und randalierte – in solchen Kreisen gilt man schnell als ‚islamophob'“, schreibt der Focus.
Hä?
Otto Schily (SPD, 2014): „Parallel dazu sollten wir uns allerdings auch von falsch verstandener Toleranz verabschieden. In Deutschland gelten Meinungsfreiheit und Grundgesetz – und nicht die Scharia.“
Volker Beck (Grüne, 2011): Beck fordert die Bundesregierung dazu auf, die Einreise des islamistischen Predigers Bilal Phillips wegen Homophobie zu verhindern.
Cem Özdemir (Grüne, 2011) bezeichnete die Koran-Verteilaktion „Lies“ als „Werbestrategie“, mit der sich Radikale als Sprachrohr der Muslime darstellen wollten.
Eckhart Körting (SPD, 2011): „Fast jeder, der Richtung Dschihad abgedriftet ist, hatte mit Salafisten Kontakt.“
(Unvollständige Liste)
4. Für den Focus sind Deutsche nur als Opfer vorstellbar.
Noch so eine Illustration aus der Titelstrecke: Wir sehen einen bärtigen Muslim, der einen Koran hinter dem Rücken hält, und einem anderen jungen Mann verschwörerisch etwas ins Ohr flüstert (Koransuren gar?). Die Bildunterschrift lautet: „Wieder hat der angebliche Diener Allahs einen jungen Deutschen für seinen Kampf gewonnen.“
Deutsche, so lautet die subkutane Botschaft des Focus, werden verführt. Böse sind „die Anderen“.
Das ist auf so vielen Ebenen schief, dass man schreien möchte. Aber für den Focus ist offensichtlich klar: Der mit dem Bart – das kann schon mal kein Deutscher sein.
5. Der Focus kennt sich nicht aus in der Welt.
„In weiten Teilen der islamischen Welt dürfen Frauen weder am öffentlichen Leben teilnehmen noch Eigentum besitzen noch heiraten, wen sie wollen.“
Ich bin der Letzte, der reale Unfreiheiten verteidigt – aber dieser Satz allein reicht als Eingeständnis, dass es dem Focus nicht um Journalismus geht. In „weiten Teilen“ der muslimischen Welt? Nur zwei kleine Beispiele: Pakistan und die Türkei (zwei bevölkerungsreiche unter den mehrheitlich muslimischen Staaten) hatten weibliche Regierungschefs. Und Rania, die Königin von Jordanien, tritt nicht nur ständig öffentlich auf (jaja, ich weiß: repräsentativ, aber trotzdem), sie trägt auch noch – Achtung, Focus-Redaktion! – häufiger mal kein Kopftuch.
Fazit
Der Islam braucht einen Luther, schreibt der Focus als Fazit. Mindestens genauso dringend braucht der Focus allerdings Journalisten. Sollte diese Titelgeschichte ein ernst gemeinter Versuch gewesen sein, reale und diskussionswürdige Probleme anzusprechen, dann ist er gescheitert. Aber so geht das, wenn einem die eigenen Vorurteile den Blick verstellen. Oder wenn man glaubt, man könne durch das vermeintliche „Tabu“ der „Islamkritik“ noch ein paar Leser rekrutieren.