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Drei falsche Fuffziger

 
Kitty, Daisy & Lewis nehmen uns mit in die frühen Jahre des Rock’n’Roll: Hier schmeckt das Wasser wie Wein, und man tummelt sich beschwipst im See. Ihre Lieder scheppern und swingen, dass es eine Freude ist.

Kitty Daisy & Lewis

Sie schätzen es, schon in der Frühe um sechs fröhlich tänzelnd unter die Dusche zu hüpfen? Legen Sie das beschwingte Debüt der Geschwister Kitty, Daisy & Lewis auf, dann gerät der Morgen zum Tanzfest.

Ukulele und Kontrabass ertönen, Scheppertrommel und Konga, Gretsch- und Hawaii-Gitarren, Klavier, Akkordeon und Mundharmonika – Kitty, Daisy und Lewis Durhamlieben die Musik der vierziger und fünfziger Jahre, sie zelebrieren die frühen Tage des Rock’n’Roll, den Rockabilly, den Rhythm’n’Blues, den Country, den Swing und den Blues. Erstaunlich, schließlich ist die älteste der drei gerade 20 geworden. Zehn Lieder – zwei selbst komponierte, acht uralte – bannten sie in ihrem Heimstudio in London auf Tonbänder. Deren Klang ist perfekt, aber eben hörbar analog, wie Hausmusik auf Schellack. Produziert haben sie das Album selbst und ohne Computer, so klingen die Lieder ungeschliffen und minimalistisch.

Den Auftakt macht die Coverversion von Going Up The Country: Kitty, Daisy und Lewis laden aufs Land, wo das Wasser wie Wein schmeckt und man sich beschwipst im See tummeln kann. Welch ein charmanter Plan! Und wie geschickt, das beste Stück gleich an den Anfang zu stellen. Canned Heat spielten das Lied im Jahr 1969 in Woodstock, hier klingt es noch mal zwei Dekaden älter. Frisch und lebendig tönt es, wenn sie den Rhythmus klatschen.

Und sie klingen nicht nur nach den Fünfzigern, sie sehen auch so aus: Die Geschwister sind gekleidet wie Zeitgenossen Elvis‘, die Frisuren um ihre Pausbacken sind stilecht: Die beiden Frauen tragen die Haare zu strengen Pferdeschwänzen gebunden, alle drei haben sich Tollen zurechtgegelt. Sie inszenieren sich perfekt, auch die grobkörnigen Bilder auf der Albumhülle vermitteln den Geist vergangener Tage.

Sie wissen, was sie tun. In der Dokumentation We Dreamed America von Alex Walker erzählt Kitty, dass sie schon als Kinder gerne Johnny Cash, Elvis, Louis Jordan und den alten Blues gehört hätten. Seit einigen Jahren bereits musizieren sie zusammen, schließlich gelang es ihnen, den BBC-Moderator Rob Da Bank zu begeistern. Er nahm ihre zweite Single, Johnny Hortons Mean Son Of A Gun, ins Programm und veröffentlicht sie auf seinem Label „Sunday Best“. Dort erscheint nun auch das Album.

Eigentlich ist das alles kein Wunder, schließlich kommen die Geschwister aus einer musikalischen Familie: Ihre Mutter Ingrid Weiss trommelte in den Achtzigern bei der Postpunkband The Raincoats, ihr Vater Graeme Durham ist Tonmeister in einem der besten Studios Großbritanniens, The Exchange. Auf der Bühne helfen die Eltern gerne aus, Ingrid Weiss spielt dann den Kontrabass, Graeme Durham die Gitarre.

Zu den Klängen von Kitty, Daisy & Lewis gelingt der Morgen. Und wenn Sie dann nach den kaum dreißig Minuten dieses Debütalbums beschwingt Ihr Badezimmer verlassen, schauen Sie zur Kontrolle kurz in den Spiegel. Könnte sein, dass Sie sich eine Tolle frisiert haben.

Das Debütalbum von Kitty, Daisy & Lewis ist als CD und LP bei Sunday Best/Rough Trade erschienen. Außerdem ist das Album in Form eines Buchs erhältlich, gefüllt mit fünf 10 Inch-Scheiben, die auf 78 Umdrehungen abzuspielen sind.

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