Einst erfand Geoff Barrow mit Portishead den TripHop, jetzt macht er Krautrock – oder sowas ähnliches. Sein Trio nennt er Beak>, mit Schnabel.
Die Fluggesellschaft Pan Am konnte darüber nicht lachen: Die Band Silver Apple setzte 1969 ihre Protagonisten Danny Taylor und The Simeon in ein Cockpit, stopfte allerlei Drogenzeug hinzu, schoss ein Foto und druckte das Bild aufs Cover ihres Albums Contact. Auf der Rückseite der Hülle saßen die Musiker mit einem Banjo in den Trümmern der Passagiermaschine. Die Fluglinie verklagte das Label KAPP auf 100.000 Dollar, es ging pleite. Die Band löste sich auf.
Erst viel später wurden Silver Apple wiederentdeckt. Zuerst Mitte der Neunziger, und dann vor zwei Jahren wurden ihre beiden Alben neu aufgelegt. Taylor und The Simeon kamen wieder zusammen und spielten drei Platten ein. Im Jahr 1998 hatte Danny Taylor einen schweren Autounfall, konnte sein Schlagzeug nicht mehr spielen. Vor drei Jahren starb er.
Nun ist es, als seien die Silver Apples ein drittes Mal zurückgekehrt. Was die Wiederveröffentlichung zweier vierzig Jahre alter Alben doch bewirken kann: Erst hörten sich Portishead für ihr Album Third einiges bei den Silver Apples ab. Und nun nimmt Geoff Barrow – ein Drittel von Portishead – ein ganzes Album auf, dass klingt, als hätten Danny Taylor und The Simeon damals, im Jahr 1970, doch noch ein bisschen länger zusammen gespielt.
Recordings 05/01/09 > 17/01/09 heißt Barrows Werk, ausgetüftelt hat er es mit Billy Fuller und Matt Williams. In Bristol, dort also, wo sie herkommen, wo in den Neunzigern der sogenannte TripHop begann: Portishead, Massive Attack und all das. Zwei Wochen haben sie daran gearbeitet – und sie beharren darauf, dass sie gar nicht so viel getüftelt haben: Live aufgenommen sei alles, in einem einzigen Raum, nichts sei später korrigiert worden.
Recordings erinnert auch ein bisschen an die Krautrocker Neu!, doch die waren immer melodischer, verspielter in den Höhen. Da wirbelte ständig noch irgendwo ein heiserer Oszillator, da wurde bis zur Unhörbarkeit am Geschwindigkeitsregler gedreht.
Nein, Beak sind dagegen konservativ – abgesehen von dem enervierenden Elektrogniedel im Stück Barrow Gurney. Sie verharren in den Tiefen, immer mal wieder knödelt jemand ein paar Worte ins Mikrofon, hier und da dürfen die Gitarren mal ausufernd krachen. Nicht zu oft.
Alles dreht sich um den Bass. Unbändig stapft er durch den Tiefschnee, kaum vernimmt man den Anschlag, so sehr schwingt, schwingt, schwingt es. Auf Schritt! und! Tritt! folgen warme Orgeln. Stoisch pumpen die immer wieder gleichen Schallwellen aus den Lautsprechern, frühestens alle vier Takte wird variiert. Meist dauert es länger.
Welche Kraft! Ob Portishead im Proberaum so gut klingen? Ungeschliffen, kraftvoll – und ohne das enervierende Genöle von Beth Gibbons? Die Kürze der Zeit, die Lust am Unfertigen, der Mut zur rauen Oberfläche, all das hat dazu beigetragen, dass Recordings meist hörenswert ist. Dass in so kurzer Zeit nicht alles gelingt – sei’s drum.
Der Bandname ist übrigens origineller als die Musik. Sie schreiben sich selbst Beak>, denn Beak heißt Schnabel, heißt auch Zinken – und so sieht das Pfeilchen neben dem Wort auch aus. Hat einer der drei Musiker vielleicht eine Riesennase? Wohl nicht.
Leider erscheint das Album nur auf CD. Einen auf 250 Stück limitierten schwarzen Pizzakarton mit dieser und allerlei zusätzlichem Schnickschnack gab es auch, er ist vergriffen und macht nun in Auktionshäusern die Runde.
„Recordings 05/01/09 > 17/01/09“ von Beak> ist auf CD bei Invada/Cargo erschienen.