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Einfach so zugeweht

 

Festland fügen aus Minimalhouse und Rock wunderbar entspannte Musik zusammen. Keinen oberflächlichen Lounge-Kram, nein, die Essener lösen tiefste Blockaden.

© Sascha Kreklau

Liegen lernen, zuhören, fallen lassen und atmen, immer atmen – es gibt Platten, die sind wie yogische Leitfäden und klingen doch nicht esoterisch. Sondern wie Entspannungstherapien, nur ohne didaktischen Ton. Platten also, die sanft oszillieren, statt einzulullen, einzuschläfern: digital, analog, Avantgarde, Pop, Harmonie, Dissonanz, alles zugleich und nichts vornehmlich.

Welt verbrennt ist so ein Meisterwerk klanglicher Relaxation. Mit ihrem zweiten Album gelingt dem Essener Low-Fi-Trio festland eine Art Anleitung zur Lässigkeit. Selten wurde Minimalhouse so anspruchsvoll mit Rockelementen vermengt, so kreativ und en passant, dass selbst die schwermütige Spex von „undeutscher Leichtigkeit“ schwärmt. Da haben festland offenbar einen bloß liegenden Nerv des analytisch-vertiefenden Feuilletons getroffen. Er liegt irgendwo zwischen Beckenboden und Großhirnrinde und ist für viele Verspannungen im urbanen Sitzjobmilieu verantwortlich.

Ihn zu lockern, geben ungezählte Formationen mit Etiketten von Lounge bis Lazy vor, all die Nouvelle Vagues, 2raumwohnungen und Café del Mars. Doch sie alle liefern nur warme Umschläge, die bis zum Erkalten für ein paar Takte davon ablenken, wie tief unsere Blockaden wirklich sitzen. Welt verbrennt betrügt niemanden, Welt verbrennt ist glaubhaft therapeutisch. Versonnen mäandern Joachim Schäfers multifunktionale Keyboards, Dietmar Feldmanns subkutaner Bass und Thomas Geiers flüchtiger Andreas-Dorau-Gesang durch die zwölf Stücke.

Dabei geht es weder um die ganz großen Menschheitsthemen noch um kleingeistigen Eskapismus, sondern ums passende Gefühl zur richtigen Stimmung – mal technoid düster, mal glockenklar und hell. Sie hauchen zarte Choräle im Titelsong zu treibendem Offbeat und pointierten Gitarren, rühren im wunderbar verstörenden Warum? sinistre Derrick-Orgeln unter hitzigen Neunzigerdance, werfen peitschende Klavierfragmente in ruhiges Fahrwasser – und nie gleicht es dem zwanghaften Samplehorten anderer.

festland laufen über die Sommerwiesen ihrer Fantasie, pflücken verträumt Sträuße, in denen auch mal Unkraut landet, und garnieren sie mit Texten voller „Geleise“, „Gassen“, „Utopien“, deren lyrische Selbstbezogenheit selten bemüht klingt, eher entrückt. Als seien sie dem Texter Fabian Weinicke einfach so zugeweht, beim Atmen, im Liegen.

„Welt verbrennt“ von festland ist erschienen bei Zick Zack/What’s So Funny About.


Dieser Artikel wurde in der ZEIT Nr. 12/2010 veröffentlicht.

© Sebastian Kreklau