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Milchgesicht mit Bruchstimme

 

Nur wenige Singer-Songwriter machen ihre Sache so gut wie der junge Moritz Krämer. „Wir können nix dafür“ heißt sein anrührendes Debütalbum.

© Tapete Records

Singer-Songwriter gibt es wie Sand am Meer, junge Männer meist, die ihr Empathievermögen so lange ausreizen, bis Gitarrenakkorde und Gefühlsreime leidlich verschmelzen. Die Kunst aber, in der Stille des Moments zu reden, statt sich nur zu äußern, bleibt einigen wenigen vorbehalten. Singer-Songwritern wie Moritz Krämer.

Auf seinem anrührenden Debütalbum Wir können nix dafür findet das Milchgesicht mit der brüchigen Stimme textlich wie klanglich eine Sprache, wo Minnesänger und PR-Poeten nur Stellschrauben suchen. Und er verleiht ihr eine Erhabenheit, deren Diphthongspreizung den Tiefsinn nicht nur immer weiterführt, sondern, wie im anrührenden Alle raus hier, „waheitah, waheitah, waheitah!“

Dabei ist Krämer weder Dadaist, noch betreibt er Zweisamkeitsapotheosen, er versteht es nur, jeder Silbe die Wucht ganzer Strophen zu geben. Seine zwölf fließenden bis treibenden Alltagsballaden mögen von gebrochenen Vogelrippen über Mutterliebe und das Leben in WGs bis hin zur Befürchtung reden, immer ficken zu müssen – es gerät nie pathetisch. Im Gegenteil. „So ein kitschiger Himmel“, singt Moritz Krämer in 90 Minuten, „dass er mir die Stimmung versaut“.

Man kann auch mit beiden Beinen auf der Erde melancholisch sein.

„Wir können nix dafür“ von Moritz Krämer ist erschienen bei Tapete Records.

Aus der ZEIT Nr.11/2011