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Erstmal in Ruhe reinbjörnen

 

Diese Schweden füllen den Picknickkorb mit wunderbaren Melodien: Unter Phil Spectors Fittichen machen die Acid House Kings den perfekten Pop für sommerliche Tage.

© Labrador Records

Popmusik beruht auf dem Prinzip der Täuschung. Sie macht uns was vor und wir glauben ihr gern.
Aber was sich das schwedische Trio Acid House Kings seit zehn Jahren leistet, grenzt an gemeinen Betrug. Acid House Kings – das klingt nach schweren Goldketten, Schweiß und meterhohen Bassboxen. Mit der deftigen Clubspielart aus Chicago haben die drei Schweden jedoch so wenig zu schaffen wie Ingmar Bergmann mit der wackligen IKEA-Vitrine Grevbäck. Die Acid House Kings sind genau das Gegenteil: statt Basswellen gibt es bei ihnen wohliges Kräuseln, statt prolligem Schmuck tragen sie Strickpullover und weiße Pullunder. Und dann auch noch dieser Titel! Music Sounds Better With You zitiert frech die House-Nummer des Trios Stardust, der sich 1998 jeder hingeben musste. Dürfen die das? Wird hier nicht gleich zu Beginn schon zu oft gezwinkert?

Nein, nein, hinsetzen und noch ein Stück Erdbeerkuchen nehmen! Diese Acid House Kings machen ihre Sache nämlich sehr gut. Vielleicht posieren sie etwas bemüht verschmunzelt auf ihren Plattenhüllen, und Kastagnetten hatte man jetzt auch nicht gerade vermisst. Aber es sind halt Schweden und die haben ein schönes Sprichwort: „Man skall inte sälja skinnet förrän björnen är skjuten„, was soviel heißt wie: erstmal reinhören in die Platte.

Music Sounds Better With You eröffnet gleich mit einem Geniestreich. Bei dem Versuch, einen derart sonnigen Pophit wie Are We Lovers Or Are We Friends? aus dem Hangelenk zu schütteln, würden zahllose Twee-Pop-Bands kühlende Salben tubenweise verbrauchen. Das Lied, sozusagen magisch: ein beschwingter Motown-Beat, leuchtende Smiths-Gitarren und eine traurige Klarinette. „I know the summer’s gonna end„, singt Niklas Angergård. Und die Art und Weise, wie sich diese Melodie entfaltet, sorgt für Begeisterung. Es scheint, als werden die Acid House Kings auf dieser Platte fast alles richtig machen.

Music Sounds Better With You, das ist zehnmal perfekter Melodienpop mit sanfter Eintrübung durch herbstliche Verwirrung. Selbstverständlich klingen die Acid House Kings wie eine etwas sonnigere Mischung aus Belle & Sebastian und den Cardigans in ihren besten Zeiten. Wer sich nicht vorstellen kann, jemals laut lachend und mit offenem Hemd durch endlose Kornfelder zu rennen, der sollte sich woanders umhören.

Schützende Hände wachen über diese Band: Da ist zum einen Phil Spector, der alte Irre mit seiner handgespachtelten Wand aus Sound. Von ihm haben die Acid House Kings das große Panorama entlehnt, die sanfte Dramatik in Liedern wie Windshield oder Where Have We Been. Der musikalische Spieltrieb und den Hang zu bittersüßen Melodien leihen sich die Schweden beim Surf-Sinfoniker Brian Wilson. Außerdem verfügen die Acid House Kings mit Niklas Andergård und Julia Lannerheim über zwei Stimmen, die sich sanft und gelassen durch die Lieder tragen lassen. Vor allem die von Andergård gesungenen Stücke werden von einer leisen Traurigkeit durchweht, die der oft sehr heiteren Lannerheim abgeht.

So viel gute Laune kann anstrengend sein, wenn sie nicht aufrichtig zelebriert wird. Die Acid House Kings aber sind Meister im Balancieren zwischen hüpfender Leichtigkeit und einer kühlen Melancholie, die man skandinavisch nennen könnte. Music Sounds Better With You ist Musik für den Sommer zwischen duftenden Heuwagen und Picknickkörben, die von lieben Menschen mit sonnengebleichten Haaren gefüllt wurden. Aber jeder Tag geht irgendwann zu Ende und dann kommen die Mücken.

„Music Sounds Better With You“ von den Acid House Kings ist bei Labrador Records erschienen.