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Schwedenpop wie aus dem Lehrbuch

 

Die britische Presse ist schon wieder ganz aufgeregt: Niki & The Dove aus Stockholm klingen hier wie Björk, da wie Prince und haben sich aus Synthiepeitschen und Durchhaltechorälen ein nettes Debütalbum gebastelt.

© Universal Music

Schweden ist ein weites Land mit freundlichen Menschen und abwechslungsreichen Landschaften. Im Norden ist es sehr kalt, im Süden bisweilen sehr heiß. Es liegt zwischen zwei Meeren, ein bisschen Nordsee links, sehr viel Ostsee rechts, reichlich Tidenhub also, aber kein dramatischer. Und auch sonst gilt Schweden als Ort eher milder Aufs und Abs, der Kontinuitäten. Man lässt einander leben (wenn man erstmal drin ist) und ist füreinander da (und sei es nur aus Tradition).

Vielleicht ist das Land deshalb ein Eldorado des Pop in seiner musikalischen Quintessenz: Als geschmeidiges Beieinander vieler Versatzstücke argloser Stile. Während nebenan, in Finnland, wüster Heavy Metal entsteht, und weiter westlich eher Norwegens Fjorde besungen werden, ist Schweden Pop, und Pop ist Schweden, und Niki & The Dove ist schwedischer Pop par excellence. Wie aus dem Versandhauskatalog.

Um nicht missverstanden zu werden: Instinct, das Debütalbum der Sängerin Malin Dahlstrom und ihres Masterminds Gustav Karlof ist ein gelungenes Stück elektrolastiger Exegese – angenehm zu hören, nie richtig langweilig, nie richtig überdreht, recht lässig zwischen den Extremen mäandernd, ein ruhiger, nicht unbewegter Fluss. Wie Bottnische Meerbusen. Flut und Ebbe im Einklang.

Die britische Kritikinstanz New Musical Express sieht Parallelen zu Prince, Kate Bush, Fleetwood Mac und meint das freundlich, während der Independent eine Björk-beeinflusste Farbigkeit lobt. Die Urteile sind einhellig: besonders, brillant, interessant.

Das Geheimnis von Niki & The Doves ist also eine Art getragener Melancholie, die sich mit dem digital modernisierten Geist der Achtziger und ihrer Synthiepeitschen, Orgelteppiche, Durchhaltechoräle in eine positive Zwischenstimmung frickelt, bis aus dem orchestralen Wave über Malin Dahlströms getragene Stimme hinweg schwungvolle Retro-Disco wird. Passenderweise heißt das Auftaktstück DJ Ease My Mind und schleppt seine anfängliche Düsternis mit treibender Bassdrum auf den Dancefloor und zurück.

So geht es weiter: manchmal tanzbar, manchmal einlullend, musikalisch durchaus viril, gelegentlich, wie in Last Night, geradezu humorvoll in der Verwendung putziger Soundeffekte. Und dennoch – irgendwie rauschen die zwölf Stücke dahin wie eine Dreiviertelstunde Radio, das anspruchsvolle wohlgemerkt, kein Dudelfunk mit „Hit“ im Namen oder „das Beste aus…“ im Slogan; bei der BBC wurden The Fox und DJ Ease My Mind ja auch gleich zu Schwerrotatoren.

Aber so richtig greifbar wird Instinct an keiner Stelle. Es mag darin Ausbrüche nach unten geben, Someday etwa, mehr Eurodance als Skandinavienpop. Aber es fehlen die nach oben, die Songs mit Potenzial. Man wird das Gefühl nicht los, Niki & The Dove hatten es in den zwei Jahren ihres Bandbestehens zu eilig, eine Platte zusammenzustellen. Das Ergebnis ist keinewwegs schlecht. Die sinistre Verspieltheit von Malin und Gustav, ihr Faible für hintergründige Feierlaune kann ein Album durchaus tragen. Dennoch: Hoffen wir aufs zweite. Wenn sie sich mehr Zeit lassen.

„Instinct“ von Niki & The Dove ist erschienen bei Universal.