Liegt es an Rauschmitteln oder elterlicher Übernächtigung? Das musizierende Ehepaar namens Peaking Lights lebt Tagträume wie Kraftwerk auf THC oder Amon Düül auf Synthies.
Dass ein musizierendes Ehepaar, das gerade einen Sohn bekommen hat, sein neues Album ausgerechnet Lucifer nennt, spricht nicht gerade von friedlichem Durchschlafen und harmonischem Elternalltag. Aber der Erzböse war ja mal ein Engel und schillert als Lichtbringer ambivalent durch die transeuropäische Mythologie, als moderner Prometheus, der die Menschen aufklärt und damit in Gefahr bringt.
LO HI von Peaking Lights
Oder sollten sich Aaron Coyes und Indra Dunis (dass ihre Initialen Acid = Säure = Lysergsäurediethylamid = LSD ergeben, ist Zufall) alias Peaking Lights gar nicht so viel gedacht haben beim Titel ihres dritten Albums? „Unsere Plattentitel sind immer in Träumen, Tagträumen und Erscheinungen zu uns gekommen“, sagt Aaron Coyes und erinnert daran, dass Luzifer auch der lateinische Name des Morgensterns, der Venus, war. Immerhin heißt ein Stück Beautiful Son; vielleicht ist der mittlerweile gut Einjährige gar nicht so teuflisch.
Peaking Lights sagen manchmal, sie seien eine Reggae-Band. Aber den strandaffinen Offbeat jamaikanischer Kiffer-Combos spielen sie nicht. Sie haben sich vielmehr die Technik abgeguckt, die die Rastafaris nach rituellem Genuss rauchbarer Rauschmittel irgendwann in den Sechzigern erfanden: Dub. Der Hall ist ein wichtiges Gestaltungsmittel, unscheinbare Details werden dank kreativen Mixens in den Vordergrund gespült, um wieder im Farbnebel zu verschwinden.
So gingen Dub-Veteranen wie King Tubby mit Reggae-Riddims um. Das melodische und rhythmische Ausgangsmaterial von Peaking Lights stammt eher aus krautrockduftendem Independent, aus postrockiger Elektronik und minimalisierter Disco. Cosmic Tides allerdings geht schon fast als waschechter Dub mit Reggae-Basis und clubbunten Glitzerlichtern durch.
Das Söhnchen Mikko wacht hörbar über das größtenteils friedlich fließende, manchmal psychedelisch zerfließende Album. „Es hat uns verändert, oder vielleicht waren wir schon verändert, als wir es schrieben“, sagt Coyes. Meint er wirklich die Musik, oder die Wonnen der Elternschaft? Mikko geht jedenfalls mit auf Tour, so gehört sich das bei Hippies wie diesen – falls man Thirtysomethings so nennen kann, die Teile ihrer Jugend in Hardcore-Punk-Peergroups, Goth-, Psych- und No-Wave-Bands verbracht haben.
Mit ihrem zweiten Album 936 waren der Rundumtätowierte und seine Frau, mit der er 2006 in einer Sommernacht in einer heißen Badewanne zusammenkam, im vergangenen Jahr zum Geheimtipp avanciert. In beider Sozialisation spielen halluzinogene Pilze, selbstgebaute Synthesizer und das dritte Auge eine Rolle. Peaking Lights gründeten sie eigentlich nur, um Benzingeld zu verdienen.
Laut ihrer Plattenfirma sehen Coyes und Dunis Lucifer als nächtliche Version ihres Stils: „Für uns handelt diese Platte von Spiel und Spielerei, bedingungsloser Liebe, Rhythmen und Puls, Kreation und Vibration“, sagt Coyes. Vieles fließt, manches piepst, anderes bekommt elektronische Rhythmen, hier blitzt ein Piano, da eine leicht gestümperte Gitarre. Kraftwerk auf Tetrahydrocannabinol, Amon Düül mit Digitalsynthi, Grateful Dead, wie Coyes und Dunis aus Kalifornien ins kalte Wisconsin verschlagen. Viel Hall fürs Hirn.
„Lucifer“ von Peaking Lights ist erschienen bei Domino Records.
Peaking Lights im Konzert: 23. Juni, Frankfurt, Lüften Festival; 24. Juni, Köln, Museum Ludwig