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Triumph für Coop 99!

 

Für Außenstehende ist allein die Fülle der heute vergebenen Preise schwer zu durchschauen: Auf der Abschlussgala wurden sieben silberne Bären in verschiedenen Kategorien und als Hauptpreis der goldene Bär für den besten Film vergeben, außerdem zwei Sonderpreise. Mit den Stars und Sternchen der vielen internationalen Filme, die zum Teil erst durch die Berlinale einem breiteren Publikum bekannt wurden, taten sich auch die Profis schwer. Um die Verleihung hautnah zu erleben, habe ich vor dem Berlinale Palast in einer der Fotografen-Boxen Platz gefunden. Direkt neben mir: Ein RTL-Team, das versuchte die Prominenten „mitzunehmen“, und sichtlich bemüht war, den Überblick zu behalten: Der Kameramann konzentrierte sich zuerst auf alle, die in den schicken Phaeton-Limousinen vorfuhren, danach auf alle Frauen in auffälliger Abendgarderobe.

Als erster betrat Berlinale-Direktor Dieter Kosslik den roten Teppich; danach zogen auch allmählich Schauspieler, Regisseure und sonstige prominente Personen an uns vorbei. Als eine der ersten fiel den Fotografen die kleine zierliche und ziemlich leichtbekleidete Regisseurin Pernille Fischer Christensen auf, wie sich allerdings erst später herausstellte. „Wer ist denn das?“ – fragte der Kameramann sein Team. Niemand kannte die Regisseurin, die auf der Berlinale mit ihrem Debütfilm „EN SOAP“ gleich zwei Preise abräumte: den kleinen Bären für den besten Erstlingsfilm und neben dem iranischen Film „OFFSIDE“ den großen Preis der Jury.

Bald füllte sich der rote Teppich mit Stars und mit jedem stieg der Adrenalinspiegel der Kamerateams: „Franka hier-hier! Hier, Franka!“ „Martina! Martina, schau über die Schulter! Über die Schulter! Martina!“„Schööööön ist das!“ „Herr Winterbottom!“ „Herr Röhler!“ „Herr Wenders!“ – jede Bewegung auf dem Teppich wurde hundertfach auf Film festgehalten. Interessant übrigens, dass nur die Frauen beim Vornamen genannt werden…

Die hektischen Rufe der Fotografen ließen zumindest einen absolut kalt: den Schauspieler Jürgen Vogel. Er stieg aus, drehte den Kamerateams den Rücken zu und widmete sich ausführlich seinen Fans hinter den Absperrungen: Zunächst posierte er für das private Fotoarchiv der angereisten Zuschauer, danach verteilte er Autogramme. Den Silbernen Bären für die künstlerische Leistung gönne ich ihm persönlich vom ganzen Herzen! In dem sehr schweren Film „DER FREIE WILLE“ zeigt er uns seine Vielseitigkeit nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Co-Autor und Co-Produzent. Während der Preisverleihung betonte er nochmals, dass dieser Film viel Unterstützung braucht und dass er hofft, den Film durch die Berlinale-Auszeichnung in den deutschen Kinos zeigen zu können.

Ich bin bis zum Schluss geblieben und habe mir die Preisverleihung auf dem großen Bildschirm vor dem Berlinale Palast angeschaut. Leicht enttäuscht aber trotzdem einverstanden bin ich mit der Entscheidung der Juroren, den Goldenen Bären für den Film „GRBAVICA“ von Jasmila Zbanic zu vergeben. Ein großer Erfolg für die Produktionsfirma „Coop 99″, die von den jungen österreichischen Regisseurinnen Barbara Albert, Jessica Hausner und Antonin Svoboda (heute zählt auch Martin Gschlacht dazu) 1999 gegründet wurde! Sie war auf der diesjährigen Berlinale gleich mit zwei Filmen im Wettbewerb vertreten: „SLUMMING“ und „GRBAVICA“. Völlig unerkannt und unscheinbar huschte Barbara Albert an den Fotografen vorbei. Durch ihr unprätentiöses Auftreten fiel sie durch das Beuteschema der Kamerateams.

Der diesjährige Gewinner-Film erzählt eine Mutter-Tochter-Geschichte in Sarajevo. Eines Tages erfährt die 12jährige Sara über die Umstände ihrer Geburt während des Krieges auf dem Balkan. Für sie bricht eine Welt zusammen. Der langsam und rührend erzählte Film enthält zwar für meinen Geschmack einige zu überzogene und theatralische Szenen, die diesem Debüt der Regisseurin Jasmila Zbanic von der Jury aber offenbar verziehen wurden — vielleicht auch wegen der Thematik. Das ergreifende Ende des Films hat aber auch mich begeistert.

Alle Bären auf einen Blick:

– Goldener Bär: „GRBAVICA“ von Jasmila Zbanic

– Großer Preis der Jury – Silberner Bär: „EN SOAP“ („Eine Soap“) von Pernille Fischer Christensen und „OFFSIDE“ von Jafar Panahi

– Silberner Bär für die beste Regie: MICHAEL WINTERBOTTOM und MAT WHITECROSS „THE ROAD TO GUANTANAMO“

– Silberner Bär für die beste Darstellerin: SANDRA HÜLLER in „REQUIEM“ von Hans-Christian Schmid

– Silberner Bär für den besten Darsteller: MORITZ BLEIBTREU in „ELEMENTARTEILCHEN“ von Oskar Roehler

– Silberner Bär für eine künstlerische Leistung: JÜRGEN VOGEL als Schauspieler,- Co-Autor und Co-Produzent des Films „DER FREIE WILLE“ von Matthias Glasner

– Silberner Bär für die beste Filmmusik: PETER KAM für „ISABELLA“ von Pang Ho-Cheung

– Alfred-Bauer-Preis: „EL CUSTODIO“ („Der Schatten“) von Rodrigo Moreno

– Preis bester Erstlingsfilm: „EN SOAP“ („Eine Soap“) von Pernille Fischer Christensen