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Plädoyer gegen den neuen Hauptbahnhof

 

Ach, das Berlin-Weblog ist so schön liberal, so herrlich dialektisch!
Nach Jochen Reineckes Lobhudelei erzählt uns Don Dahlmann, warum er gegen den neuen Hauptbahnhof ist.

Zugegeben: die Architektur des neuen Bahnhofs mitten Berlin ist gelungen. Zumindest, so lange die Glasscheiben so schön klar und sauber bleiben, sieht der Hauptbahnhof schick aus, und hebt sich wohltuend von den Betonburgen anderer Städte ab. Die Frage ist nur: braucht den Bahnhof irgendein Mensch?

Kollege Reinecke hat in seinem Plädoyer für den Bahnhof hervorgehoben, dass es leid war sich durch den völlig überfüllten Bahnhof zu quetschen, an Saftstand, Würstchenbude und Bäcker vorbei. Auch will er nicht mehr ertragen, dass er sich den Schädel an den niedrigen Gängen zu U-Bahnen anschlägt. Ich könnte noch hinzufügen, dass der Zeitungsladen eine Zumutung ist und wollte man Besuch mit dem Auto am Bahnhof abholen, tat man das am besten gar nicht, sondern schilderte telefonisch lieber den Weg zum Taxistand. Bahnhof Zoo ist und war in vielen Dingen eine kleine Katastrophe. Wie das mit dem Abholen am neuen Hauptbahnhof aussieht, weiß ich nicht, aber den Schädel wird sich Kollege Reinecke leider weiter anstoßen müssen, denn um zum neuen Bahnhof zu kommen, wird er, kommend aus Westberlin, weiter am Zoo umsteigen müssen. Schlimmer noch: jetzt muss er aus dem engen U-Bahn Keller mit Taschen, Tüten und Tochter zwei Stockwerke nach oben zu den S-Bahn oder Regionalbahngleisen klettern müssen um einem Zug zu bekommen, der ihn zu seinem Zug am Hauptbahnhof bringt, da der Bahnhof Zoo seit dem Wochenende außer von Regional-, S-Bahnen und einigen D-Zügen nicht mehr angefahren wird, und der neue Bahnhof kaum Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr besitzt.

Für Reisende aus Westberlin, oder die nach Westberlin wollen ist das unverständlich, und wenn auch noch ein Pressesprecher der DB sagt, das es nur 20.000 Reisende sein werden, die der Zoo bei 150.000 Nutzern pro Tag verlieren wird, fragt man sich unwillkürlich: „Bitte was? Für 20.000 Reisende setzt man so ein pompöses Riesending mitten ins Niemandsland?“ Allerdings versteht man dann auch, warum die Deutsche Bahn den Bahnhof Zoo nicht mehr anfährt. Welcher Besucher, welcher Westberliner würde an den abseits in der Botanik liegenden Hauptbahnhof aussteigen, wenn sich am Bahnhof Zoo U- und S-Bahnlinien in alle Richtungen treffen? Es wäre interessant gewesen zu sehen, wie viele Menschen den neuen Bahnhof tatsächlich nutzen, würden am Bahnhof Zoo weiter alle Züge halten.

Der neue Bahnhof ist, aus heutiger Sicht, reine Großmannssucht und die fixe Idee eines Bahnchefs, der für das gleiche Geld den Bahnhof Zoo hätte auf den neuesten Stand bringen können. Aber dafür ist es nun zu spät. Solange der neue Bahnhof allerdings in einer Brache liegt und weder von Straßen- oder U-Bahnen angefahren wird, so lange hätte man auch noch den Bahnhof Zoo anfahren können. Denn es wird mindestens noch zehn Jahre dauern, bis der Hauptbahnhof eine funktionierende Infrastruktur hat. Aber das Bahnchef Hartmut Mehdorn ausschließlich das Wohl der Reisenden Herzen liegt, ist beim bevorstehenden Börsengang der Bahn bestenfalls ein Gerücht. So wird der neue Bahnhof noch lange wie ein schlechter Schildbürgerstreich in der Walachei stehen. Aber immerhin nett anzusehen und abends hübsch beleuchtet.