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Schmerzen im Offenen Kanal Berlin

 

Sich über den Offenen Kanal Berlin lustig zu machen ist ungefähr so originell wie Scherze über Briefmarkensammler, Liegeradfahrer oder Hefeweizentrinker. Gestern zappten die beste Ehefrau von allen und ich ein wenig rotweinsediert durchs Programm und sahen etwas, was in Traurigkeit überhaupt nicht mehr zu überbieten war und uns in eine dermaßen übersteigerte Trauer hineinruderte, dass wir Minuten später verzweifelte Lachsalven ausstießen.

Was war zu sehen?
Ein Kamerateam hatte am derzeit stattfindenen Karneval der Kulturen quälend lang das Bühnenprogramm der Farafina-Bühne abgefilmt. Und zwar – wie im Offenen Kanal üblich – unkommentiert und nur rudimentär geschnitten. Wer sich an das gestrige Wetter erinnert ahnt was nun kommt: Auf der Bühne engagiertes Herumgeturne, während vor der Bühne stechender Platzregen niederging und der gesamte Bühnenvorplatz bis auf drei, vier versprengte Gestalten LEER war. Leer. Und zwar ratzeputz und mimamausetot.

Wir sahen den Percussionisten Holger Teuber, der laut Programm „Perkussionsexperimente für Kinder: Klangvielfalt auf exotischen Instrumenten“ anbot. Holger Teuber, bemühte sich redlich und verdienstvoll, gute Stimmung zu erzeugen, allein – es war kein Reflektor für diese Stimmung da. Auf der Bühne: Tontechniker, Kameraleute, zwei Percussionisten – vor der Bühne niemand. Nach mehrminütigem Getrommel fanden sich an den regengeschützten Rändern der Bühne einige, wenige Zuschauer ein. Doch die Begleitung des Trommlers, eine Frau in einem wirklich beängstigenden übermannshohen Vogel-Strauß-Kostüm, die ekstatisch über den Platz hin- und heroszillierte, verscheuchte sogleich alle Menschen wieder, denn es sah dies wirklich aus, wie ein wildgewordenes, an Vogelgrippe und BSE gleichzeitig erkranktes Tier.

Der Percussionist, den ich nochmal für seine Tapferkeit loben möchte, verließ die Bühne mit einer umgehängten Trommel um einige Kinder für eine Improvisation mit auf die Bühne zu holen. Und immer, wenn er Vertrauen zu einem Kind aufgebaut hatte, kam der Grusel-Vogel und die Kinder suchten mit angstgeweiteten Augen das Weite.

Wir schauten dies quälende 15 Minuten lang an, mit wachsender Trauer und Hysterie, bis wir lachkrampfgeschüttelt das Programm wechselten: Auf WDR 3 ging gerade Sonic Youth im Rockpalast los. Und das war uns dann doch lieber.

Himmel, war das traurig.