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„Wie früher“ – die Restauration Prassnik

 

Die „Gaststätte W. Prassnik“ ist liebevoll auf alt getrimmt. Wenn Locationscouts eine „Kneipe“ suchen, die so aussieht, wie man sich als 30-something (mangels echten Wissens) die Lokale in der DDR der 60er/70er-Jahre vorstellt – das Prassnik muss nicht all zu sehr umdekoriert werden, um als Kulisse eines Paul-und-Paula-Remakes oder ähnlicher Filme des Genres „So war sie, die Täterä“ zu dienen.

Den Boden bedeckt Linoleum, türkis-braunrotes Schachbrett; die Wände sind halbhoch mit Original-Ostblock-Ölfarbe in trübsinnigbeigebraun gestrichen; der verbleibende Rest der Wand bietet Raum für Siebzigerjahretapeten mit großzügigem Rautenmuster. Wenn man weiß, was für solcherlei Wandbehang in den einschlägigen Prenzlberg-Szeneläden für Preise aufgerufen werden, verwundert geradezu das Fehlen eines meterbreiten Sicherheitsraumes zwischen Wand und Schankraum.

In letzterem sitzt man übrigens größtenteils an bzw. auf authentischem Kneipenmobiliar. Tischplatten aus Spreelakat ruhen auf ofenrohrdicken Stahlbeinen, Inventaraufkleber an den Stühlen verraten deren Herkunft von der „Konsumgesellschaft Kreis Bernau“. Auch die Lampen scheinen schon die Ära Ulbricht erlebt zu haben, wenngleich sie eher aussehen, als hätten sie ursprünglich einen ältlichen Reisebus oder die MS Völkerfreundschaft erhellt.

Clubsessel auf einer Empore und die Barhocker verströmen den Geist von Erichs Republik; der Weg zum Klo führt nicht nur an einer mechanischen Konsum-Registrierkasse vorbei, sondern auch an dem „Phlegmat 70“, einem Verkaufsautomaten aus dem VEB Luma, der zum Preis von 1, – € 3 Zigaretten oder eine Dose Erdnüsse feilbietet. Das kennen wir doch irgendwoher? Richtig, in den Tilsiter Lichtspielen, einer schnuckligen Kneipe im Friedrichshainer Südkiez, tut das Schwestermodell als „Tilsomat 2000“ seinen Dienst (dort gibt es dann sogar auch Süßkram für 50 Cent). Während allerdings der Besuch der Sanitärräume im Tilsiter tunlichst vermieden werden sollte, erwartet im Prassnik den WC-Besucher noch ein wahres Designschmankerl: Der Griff an der Schwingtür zwischen Vorraum und eigentlichem Klo ist ein aerodynamisches Aluminium-Schmuckstück mit Sputnik-Ästhetik, kann eigentlich nur aus einem sowjetischen „Sternenstädtchen“ stammen und ist bestimmt schon durch die Hände von Siegmund Jähn gegangen, wenn er die Tür zur Kosmonautenkantine aufstieß.

Ohne aufdringlich ostalgisch zu sein, ist das Prassnik in der hippen Mitte eine Insel der gemäßigten Friedrichshainer Kneipenkultur. Einziges Tribut an die Zugezogenen ist, dass auf der Getränkekarte mit moderaten Preisen auch Kölsch verzeichnet ist, dass dann auch prompt von hartnäckigen Mitte-Schnöseln verkonsumiert wird.
Die Gaststätte W. Prassnik: Spekatakulär unmittig.

Prassnik
Torstr. 65
10119 Berlin
U Rosa-Luxemburg-Platz.

Täglich ab 19 Uhr