Wie überlebenswichtig es für Journalisten in Brüssel ist, ihre Handys genauestens im Blick zu haben, zeigte sich kürzlich wieder beim Ratstreffen der EU-Regierungschefs. Pling! machte die SMS aus der Zentrale der slowenischen Ratspräsidentschaft.
European Council – Gifts for the journalist – from 9:30 to 11:30 – Floor 01, under Council Press Room (www.eu2008.si)
Ach, wie dumm. Um das Gastgeber-Geschenk abzugreifen, ist keine Zeit, andere Termine drängen. Doch, pling!, wie schön, schon eine Stunde später simsen die netten Slowenen noch einmal.
European Council – Come and taste potica and Slovenian wine, Slovenian stand, Atrium, from 11:30 to 13:30
Hm… Gut gemeint, die Geste. Aber nein. Welcher verantwortungsvolle Berichterstatter beschwert sich schon des Mittags mit Hefekuchen und Wein?
Und überhaupt, eigentlich ist der Korrespondent von den Kurzmitteilungen der EU-Führer etwas mehr operativen Wert und etwas weniger Werbung gewohnt. Wer, was, wann, wo, darüber informiert der Schnelle Medien-Service in aller Regel.
Pling!
Accession conference with Turkey – Press conference NOW
Aha. Schon interessanter.
Pling!
Presidency off-the-record briefing today at 19:15 (Council Press Room)
Na also, geht doch.
Eingeführt hat diese benutzerfreundliche Journalisten-Fernbedienung Finnland (das Land rund um die Nokia-Werke), als es ab Mitte 2006 die europäische Ratspräsidentschaft innehatte. Während die Skandinavier allerdings noch zögerlich mit dem neuen Medienleitmedium umgingen, griffen ihre Nachfolger das System nach dem Anlauferfolg ehrgeizig auf.
„Wir haben das Ganze zur Perfektion getrieben“, berichtet ein deutscher Diplomat von der germanischen Ratspräsidentschaft 2007. 100 000 SMSe habe ein Computer in der deutschen EU-Botschaft in sechs Monaten verschickt, an 450 Journalisten, die in seiner Datenbank verzeichnet waren.
„Man kann sich dadurch einfach Hunderte von Anfragen ersparen“, sagt ein Presseattaché, „die Kunst dabei ist bloß, mit 160 Zeichen das Wichtigste rüberzubringen.“ Als die Deutschen die Ratspräsidentschaft vor einem Jahr abgaben, hatte sich der Ton schon gelockert.
Le roi est mort, vive le roi!, hieß es augenzwickernd in der Abschieds-SMS der Deutschen, bevor Portugal den EU-Thron (und die SMS-Software) übernahm.
Recht lebensnah hielt die deutsche EU-Botschaft übrigens das deutsche Pressecorps beim jüngsten Ratstreffen auf dem Laufenden. Spät am Gipfelabend, so viel war klar, wollte die Bundeskanzlerin die Presse noch zum Hintergrundgespräch empfangen. Bloß wann genau, blieb lange unklar.
ER – Abendessen:, beschied eine SMS live aus dem Speisesaal der 27 Regierungschefs gegen 22.30 Uhr, Der Nachtisch wird jetzt serviert.
Die Journalisten schmunzelten – und gossen sich entspannt noch einen Rotwein ein.
Eine der ersten Fragen an Angela Merkel betraf schließlich den Fußball. Wie sie denn während der langen Krisen-Verhandlungen den Spielstand Deutschland gegen Portugal verfolgt habe, wollte ein Kollege wissen.
„Der kam per SMS“, antwortete die Kanzlerin.
Und damit unterbricht
Planet in Progress seinen Sendebetrieb
bis zum 15. Juli.
Allen Lesern schöne Sommertage!