Die Sache ist dramatisch, und sie passiert ausgerechnet in der Adventszeit, in der eigentlich auch Karrierepolitiker eine Extra-Portion Nestwärme brauchen. Eine der von ihren Bewohnern meistgeschätzte Brüsseler WG löst sich auf. Cem Özdemir, de jure noch immer Abgeordneter im Europäischen Parlament, von den Grünen (Yes, we Cem!) als neuer Parteichef in die Heimat berufen, lässt seinen Wohngenossen, den FDP-Mann Jorgo Chatzimarkakis sitzen.
Unter vier Augen macht Chatzimarkakis keinen Hehl aus seinem Leid. Das belgische Mietrecht ist streng, ein geeigneter Nachfolger schwer aufzutreiben, und die Finanzkrise macht das Leben auch nicht leichter. „Mitte Dezember“, antwortet Chatzimarkakis bitter auf die Frage, wann ihn der Cem ihn endgültig verlasse.
Ach, wie viel europäische Versöhnung wärmte diese WG. Nicht nur versprühten der Grüne und der Liberale einen Hauch von Jamaika in den tristen Behördenbeton, auch dass es – auf europäischer Etage – harmonisch türkisch-griechisch geht, bewiesen sie, kretischer Saarländer und anatolischer Schwabe.
Zwar, berichten sie, sei man sich meist erst nach Mitternacht zuhause begegnet, dann aber ging man zielorientiert Probleme an. Wie lassen sich Socken beim Waschen auseinander halten (Cem: „Du musst sie halt verknoten!“), welcher Monty-Python-Streifen lässt sich schon wieder anschauen, und: welche Ausschuss-Sitzung ist morgen wirklich wichtig? Ganz im Ernst: Brüssel verliert eine Bedarfsgemeinschaft der ermunternden Art. Doch Chatzimarkakis reckt das Kinn: „Von uns wird man noch hören!“